Lund legte ihm die Hand auf den Unterarm.
»Du vergleichst Äpfel mit Birnen, Clifford. Man hat längere Zeit angenommen, Lemminge begingen kollektiven Suizid, weil es schick klang. Dann hat man sich die Sache nochmal näher angesehen und festgestellt, dass sie einfach bescheuert sind.«
»Bescheuert?« Stone sah Johanson an. »Dr. Johanson, halten Sie es für eine gängige wissenschaftliche Erklärung, ein Tier als bescheuert zu bezeichnen?«
»Sie sind bescheuert«, fuhr Lund ungerührt fort. »Wie auch Menschen bescheuert sind, wenn sie im Pulk auftreten. Die vorderen Lemminge sehen durchaus, dass da eine Klippe ist, aber von hinten wird gedrängelt wie bei einem Popkonzert. Sie schubsen einander so lange ins Meer, bis der Zug zur Ruhe gekommen ist.«
Hvistendahl sagte: »Es gibt schon Tiere, die sich opfern. Altruismus ist das wohl.«
»Ja, aber Altruismus ergibt immer einen Sinn«, erwiderte Johanson. »Bienen nehmen in Kauf, nach dem Stich zu sterben, weil der Stich dem Schutz des Volkes dient, beziehungsweise der Königin.«
»Es lässt sich also keine irgend geartete Absicht im Verhalten der Würmer erkennen?«
»Nein.«
»Biologieunterricht«, seufzte Stone. »Du lieber Himmel! Ihr versucht aus diesen Würmern irgendwelche Monster zu machen, derentwegen man keine Fabrik auf den Meeresboden stellen kann. Das ist albern!«
»Noch was«, sagte Johanson, ohne den Projektleiter zu beachten. »Geomar würde im Explorationsgebiet gern eigene Forschungen zu dem Thema betreiben. Natürlich im Schulterschluss mit Statoil.«
»Interessant.« Skaugen beugte sich vor. »Wollen sie jemanden schicken?«
»Ein Forschungsschiff. Die
»Das ist nobel von ihnen, aber sie können ihre Forschungen von der
»Sie planen ohnehin eine Expedition. Außerdem ist die
»Was für Messungen?«
»Erhöhte Methankonzentrationen. Die Würmer haben durch ihre Bohrungen Gas freigesetzt, das ins Wasser gelangt ist. Außerdem möchten sie ein paar Zentner Hydrat ausbaggern. Samt Würmern. Sie wollen sich alles im größeren Maßstab ansehen.«
Skaugen nickte und verschränkte die Finger.
»Wir haben bis jetzt nur über Würmer gesprochen«, sagte er. »Haben Sie diese ominöse Videoaufnahme gesehen?«
»Das Ding im Meer?«
Skaugen lächelte dünn. »Das Ding? Klingt mir offen gestanden zu sehr nach Horrorstreifen. Was halten Sie davon?«
»Ich weiß nicht, ob die Würmer und dieses … Wesen in Zusammenhang gebracht werden sollten.«
»Und was denken Sie, was es ist?«
»Keine Ahnung.«
»Sie sind Biologe. Gibt es nicht irgendeine Antwort, die sich aufdrängt?«
»Biolumineszenz. Tinas Nachbearbeitung des Materials lässt darauf schließen. Jedes größere bekannte Lebewesen fällt damit aus.
»Frau Lund erwähnte die Möglichkeit, wir hätten es mit einem Tiefseekalmar zu tun.«
»Ja, das haben wir diskutiert«, sagte Johanson. »Aber es ist unwahrscheinlich. Körperfläche und Struktur lassen keinen derartigen Schluss zu. Außerdem vermuten wir die Architheuten in ganz anderen Regionen.«
»Also was ist es dann?«
»Ich weiß es nicht.«
Schweigen breitete sich aus. Stone spielte nervös mit einem Kugelschreiber.
»Darf ich fragen«, nahm Johanson die Unterhaltung in bedächtigem Tonfall wieder auf, »welche Art von Fabrik Sie eigentlich planen?«
Skaugen warf Lund einen Blick zu. Sie zuckte die Achseln.
»Ich habe Sigur erzählt, dass wir eine Unterwasseranlage ins Auge fassen. Und dass wir noch nicht definitiv wissen, ob es wirklich eine werden wird.«
»Kennen Sie sich mit so was aus?«, fragte Skaugen an Johanson gewandt.
»Ich kenne Subsis«, sagte Johanson. »Seit neuestem.«
Hvistendahl hob die Brauen.
»Das ist ja schon mal eine ganze Menge. Sie entwickeln sich zum Fachmann, Dr. Johanson. Wenn Sie noch zwei-, dreimal mit uns zusammensitzen …«
»Subsis ist eine Vorstufe«, blaffte Stone. »Wir sind viel weiter als Subsis. Wir kommen tiefer, und die Sicherheitssysteme sind über jeden Zweifel erhaben.«
»Das neue System stammt von FMC Kongsberg, das ist ein technischer Entwickler für Tiefseelösungen«, erläuterte Skaugen. »Es ist eine Weiterentwicklung von Subsis. Dass wir so etwas installieren wollen, ist eigentlich keine Frage. Unschlüssig sind wir, ob die Pipelines zu einer der bestehenden Plattformen oder direkt an Land führen werden. Immerhin hätten wir enorme Entfernungen und Höhenunterschiede zu überwinden.«
»Gibt es nicht auch eine dritte Möglichkeit?«, fragte Johanson. »Direkt über der Fabrik schwimmt ein Produktionsschiff?«
»Ja, aber so oder so ruht die Förderstation auf dem Grund«, sagte Hvistendahl.