Читаем Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend полностью

Er verschwindet mit seinem Regenschirm in der Sakristei, ein wohlgenährter Mann im schwarzen Gehrock. In einer halben Stunde wird er, phantastischer gekleidet als ein Husarengeneral, wieder heraustreten und ein Vertreter Gottes sein. Es sind die Uniformen, sagte Valentin Busch nach der zweiten Flasche Johannisberger, während Eduard Knobloch in Melancholie und Mordgedanken versank, nur die Uniformen. Nimm ihnen die Kostüme weg, und es gibt keinen Menschen mehr, der Soldat sein will.


Ich gehe nach der Andacht mit Isabelle in der Allee spazieren. Es regnet hier unregelmäßiger – als hockten Schatten in den Bäumen, die sich mit Wasser besprengen. Isabelle trägt einen hochgeschlossenen dunklen Regenmantel und eine kleine Kappe, die das Haar verdeckt. Nichts ist von ihr zu sehen als das Gesicht, das durch das Dunkel schimmert wie ein schmaler Mond. Das Wetter ist kalt und windig, und niemand außer uns ist mehr im Garten. Ich habe Bodendiek und den schwarzen Ärger, der manchmal grundlos wie eine schmutzige Fontäne aus mir hervorschießt, längst vergessen. Isabelle geht dicht neben mir, ich höre ihre Schritte durch den Regen und spüre ihre Bewegungen und ihre Wärme, und es scheint die einzige Wärme zu sein, die in der Welt übriggeblieben ist.

Sie bleibt plötzlich stehen. Ihr Gesicht ist blaß und entschlossen, und ihre Augen scheinen fast schwarz zu sein.

»Du liebst mich nicht genug«, stößt sie hervor.

Ich sehe sie überrascht an.»Es ist, soviel ich kann«, sage ich.

Sie steht eine Weile schweigend.»Nicht genug«, murmelt sie dann.»Nie genug! Es ist nie genug!«

»Ja«, sage ich.»Wahrscheinlich ist es nie genug. Nie im Leben, nie, mit niemandem. Wahrscheinlich ist es immer zu wenig, und das ist das Elend der Welt.«

»Es ist nicht genug«, wiederholt Isabelle, als hätte sie mich nicht gehört.»Sonst wären wir nicht noch zwei.«

»Du meinst, sonst wären wir eins?«

Sie nickt.

Ich denke an das Gespräch mit Georg, während wir den Glühwein tranken.»Wir werden immer zwei bleiben müssen, Isabelle«, sage ich vorsichtig.»Aber wir können uns lieben und glauben, wir wären nicht mehr zwei.«

»Glaubst du, wir sind schon einmal eins gewesen?«

»Das weiß ich nicht. Niemand könnte so etwas wissen. Man würde keine Erinnerung haben.«

Sie sieht mich starr aus dem Dunkel an.»Das ist es, Rudolf«, flüstert sie.»Man hat keine. An nichts. Warum nicht? Man sucht und sucht. Warum ist alles fort? Es ist doch so viel dagewesen! Nur das weiß man noch! Aber nichts anderes mehr. Warum weiß man es nicht mehr? Du und ich, war das nicht einmal schon? Sag es! Sag es doch! Wo ist es jetzt, Rudolf?«

Der Wind wirft einen Schwall Wasser klatschend über uns weg. Vieles ist so, als wäre es schon einmal gewesen, denke ich. Es kommt oft ganz nahe wieder heran und steht vor einem, und man weiß, es war schon einmal da, genauso, man weiß sogar einen Augenblick fast noch, wie es weitergehen muß, aber dann entschwindet es, wenn man es fassen will, wie Rauch oder eine tote Erinnerung.

»Wir könnten uns nie erinnern, Isabelle«, sage ich.»Es wäre so wie mit dem Regen. Er ist auch etwas, das eins geworden ist, aus zwei Gasen, Sauerstoff und Wasserstoff, die nun nicht mehr wissen, daß sie einmal Gase waren. Sie sind jetzt nur noch Regen und haben keine Erinnerung an das Vorher.«

»Oder wie Tränen«, sagt Isabelle.»Aber Tränen sind voll von Erinnerungen.«

Wir gehen eine Zeitlang schweigend weiter. Ich denke an die sonderbaren Momente, wenn einen unvermutet das Doppelgängergesicht einer scheinbaren Erinnerung über viele Leben hinweg jäh anzusehen scheint. Der Kies knirscht unter unseren Schuhen. Hinter der Mauer des Gartens hupt langgezogen ein Auto, als warte es auf jemand, der entfliehen will.

»Dann ist sie wie Tod«, sagt Isabelle schließlich.

»Was?«

»Liebe. Vollkommene Liebe.«

»Wer weiß das, Isabelle? Ich glaube, niemand kann das jemals wissen. Wir erkennen immer nur etwas, solange wir jeder noch ein Ich sind. Wenn unsere Ichs miteinander verschmölzen, so wäre es wie beim Regen.Wir wären ein neues Ich und könnten uns an die einzelnen früheren Ichs nicht mehr erinnern. Wir wären etwas anderes – so verschieden wie Regen von Luft – nicht mehr ein gesteigertes Ich – durch ein Du.«

»Und wenn Liebe vollkommen wäre, so daß wir verschmölzen, dann wäre es wie Tod?«

»Vielleicht«, sage ich zögernd.»Aber nicht so wie Vernichtung. Was Tod ist, weiß niemand, Isabelle. Man kann ihn deshalb mit nichts vergleichen. Aber wir würden uns sicher nicht mehr als Selbst fühlen. Wir würden nur wieder ein anderes einsames Ich werden.«

»Dann muß Liebe immer unvollkommen sein?«

»Sie ist vollkommen genug«, sage ich und verfluche mich, weil ich mit meiner pedantischen Schulmeisterei wieder so weit in ein Gespräch hineingeraten bin.

Isabelle schüttelt den Kopf.»Weiche nicht aus, Rudolf! Sie muß unvollkommen sein, ich sehe das jetzt. Wenn sie vollkommen wäre, gäbe es einen Blitz, und nichts wäre mehr da.«

»Es wäre noch etwas da – aber jenseits von unserer Erkenntnis.«

»So wie der Tod?«

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