Читаем Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend полностью

»Ich habe mit dem Geschäft hier zwar nichts mehr zu tun«, erkläre ich,»da ich heute mittag um zwölf Uhr meinen Dienst beendet habe. Trotzdem lag mir daran, Ihnen mal zu zeigen, wie einfach es ist, Denkmäler zu verkaufen. Direkt eine Ferienbeschäftigung.«

Heinrich schwillt an, hält sich aber mit Mühe.»Gottlob, wir brauchen diesen Unsinn nicht mehr lange anzuhören! Gute Reise! In Berlin wird man Ihnen schon die Flötentöne beibringen.«

»Er hat den Obelisken tatsächlich verkauft, Heinrich«, sagt Georg.

Heinrich starrt ihn ungläubig an.»Beweise!«faucht er dann.

»Hier!«sage ich und lasse die Gulden flattern.»Sogar Devisen!«

Heinrich glotzt. Dann hascht er nach einem der Scheine, dreht ihn um und prüft, ob er echt sei.»Glück«, knirscht er schließlich hervor.»Blödes Glück!«

»Wir können das Glück brauchen, Heinrich«, sagt Georg.»Ohne diesen Betrag könnten wir den Wechsel nicht bezahlen, der morgen fällig ist. Du solltest lieber herzlichen Dank sagen. Es ist das erste wirkliche Geld, das wir hereinkriegen. Wir brauchen es verdammt nötig.«

»Dank? Fällt mir gerade ein!«

Heinrich verschwindet türenschmetternd, ein echter, aufrechter Deutscher, der niemandem jemals Dank schuldet.

»Brauchen wir den Zaster tatsächlich so dringend?«frage ich.

»Dringend genug«, erwidert Georg.»Aber jetzt laß uns abrechnen. Wieviel Geld hast du?«

»Genug. Ich habe das Reisegeld dritter Klasse geschickt bekommen. Ich fahre vierter und spare damit zwölf Mark. Mein Klavier habe ich verkauft – ich kann es nicht mitschleppen. Der alte Kasten hat hundert Mark eingebracht. Das sind zusammen hundertzwölf Mark. Davon kann ich leben, bis ich mein erstes Gehalt bekomme.«

Georg nimmt dreißig holländische Gulden und hält sie mir hin.»Du hast als Spezialagent gearbeitet. Damit hast du Anrecht auf eine Provision wie Tränen-Oskar. Für besondere Leistung fünf Prozent Zuschlag.«

Es entsteht ein kurzer Wettstreit; dann nehme ich das Geld als Rücklage für den Fall, daß ich im ersten Monat bereits aus meiner neuen Stellung rausfliege.»Weißt du schon, was du in Berlin machen mußt?«fragt Georg.

Ich nicke.»Feuer melden; Diebstähle beschreiben; kleine Bücher besprechen; Bier holen für die Redakteure; Bleistifte anspitzen; Druckfehler korrigieren – und versuchen, weiterzukommen.«

Die Tür wird mit einem Fußtritt geöffnet. Wie ein Gespenst steht der Feldwebel Knopf im Rahmen.»Ich verlange acht Billionen«, krächzt er.

»Herr Knopf«, sage ich.»Sie sind aus einem langen Traum noch gar nicht ganz aufgewacht. Die Inflation ist vorbei. Vor vierzehn Tagen hätten Sie acht Billionen für den Stein bekommen können, den Sie für acht Milliarden gekauft haben. Heute sind es acht Mark.«

»Ihr Lumpen! Ihr habt das absichtlich getan!«

»Was?«

»Mit der Inflation aufgehört! Um mich auszuräubern! Aber ich verkaufe nicht! Ich warte auf die nächste!«

»Was?«

»Die nächste Inflation!«

»Gut«, sagt Georg.»Darauf wollen wir einen trinken.«

Knopf greift als erster nach der Flasche.»Wetten?«fragt er.

»Um was?«

»Daß ich schmecken kann, woher die Flasche kommt.«

Er zieht den Korken heraus und riecht.»Ausgeschlossen, daß Sie das rausfinden«, sage ich.»Bei Korn vom Faß vielleicht – wir wissen, daß Sie darin der beste Kenner der Provinz sind -, aber nie bei Schnaps in der Flasche.«

»Um wieviel wetten Sie? Um den Preis des Grabsteins?«

»Wir sind plötzlich verarmt«, erwidert Georg.»Aber wir wollen drei Mark riskieren. Auch in Ihrem Interesse.«

»Gut. Geben Sie mir ein Glas.«

Knopf riecht und probiert. Dann verlangt er ein zweites und ein drittes Glas voll.»Geben Sie es auf«, sage ich.»Es ist unmöglich. Sie brauchen nicht zu zahlen.«

»Dieser Schnaps ist aus dem Delikatessengeschäft von Brockmann an der Marienstraße«, sagt Knopf.

Wir starren ihn an. Es stimmt.»Her mit dem Zaster!«krächzt er. Georg zahlt die drei Mark, und der Feldwebel verschwindet.»Wie war das möglich?«sage ich.»Hat die alte Schnapsdrossel übersinnliche Kräfte?«

Georg lacht plötzlich.»Er hat uns reingelegt!«

»Wie?«

Er hebt die Flasche. Auf die Rückseite ist unten ein winziges Schildchen geklebt: J. Brockmann, Delikatessen, Marienstraße 18.»So ein Gauner!«sagt er vergnügt.»Und was für Augen er noch hat!«

»Augen!«sage ich.»Übermorgen nacht wird er daran zweifeln, wenn er nach Hause kommt und den Obelisken nicht mehr findet. Auch seine Welt wird für ihn einstürzen.«

»Stürzt deine ein?«fragt Georg.

»Täglich«, erwidere ich.»Wie sollte man sonst leben?«

Zwei Stunden vor der Abfahrt glauben wir draußen Trappeln, Stimmen und Töne zu hören.

Gleich darauf geht es auf der Straße vierstimmig los:

»Heil’ge Nacht, o gieße du

Himmelsfrieden in dies Herz -«

Wir treten ans Fenster. Auf der Straße steht Bodo Ledderhoses Verein.»Was ist denn das?«frage ich.»Mach Licht, Georg!«

Im matten Schein, der vom Fenster auf die Straße fällt, erkennen wir Bodo.»Es gilt dir«, sagt Georg.»Ein Abschiedsständchen deines Vereins. Vergiß nicht, daß du dort Mitglied bist.«

»Schenk dem müden Pilger Ruh, holde Labung seinem Schmerz -«tönt es mächtig weiter.

Fenster öffnen sich.»Ruhe!«schreit die alte Konersmann.

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