»Du blöder Flachkopf!« schrie sie. »Kannst du nicht besser aufpassen? Um ein Haar hättest du mit deinem verdammten Dolch mein Pferd getroffen! Wozu nehme ich euch überhaupt mit? Um mich aufzuschlitzen?« Auf dem geschuppten Reptiliengesicht des Waga war keine Reaktion auf ihre Worte zu erkennen, – was nicht weiter verwunderlich war, dachte Tally mit einer Mischung aus Resignation und Zorn. Wenn man ein Gesicht wie ein fünfzehn Jahre alter Stiefel hatte, den noch dazu ein Mann mit zu großen Füßen getragen hatte, und das davon abgesehen nur aus Knochen und Panzerplatten bestand, war es schlechterdings unmöglich, darauf
Aber diesmal verzichtete sie auf die Bestrafung. Sie waren ihrem Ziel zu nahe, und sie waren zu lange unterwegs gewesen, um jetzt noch Zeit zu verschwenden. Außerdem entsprang ihre Erregung wohl mehr dem Schrecken als wirklicher Angst. Krell-Echsen waren harmlos: gierige kleine Ungeheuer, die einfach alles angriffen, was sich in ihrer Nähe bewegte, und dabei nur allzu leicht vergaß er, daß sie nur wenig größer als eine normale Männerhand waren. Ihre einwärts gebogenen Fangzähne enthielten in winzigen Hohlöhren ein geradezu mörderisches Gift, das im Bruchteil einer Sekunde zu Krämpfen und in weniger als einer Minute zum Tode führte, allerdings einen kleinen Schönheitsfehler hatte: es wirkte nur auf Krell-Echsen. Tally hatte mehr als eines dieser angriffslustigen kleinen Mistviecher gesehen, das sich aus lauter Blödheit selbst gebissen und vergiftet hatte.
Nein – dachte sie spöttisch. Krell-Echsen waren eine glatte Fehlkonstruktion der Natur. Einzig die Tatsache, daß die Gehranwüste einer der unwirtlichsten Flecken der Welt war und es hier so gut wie keine größeren Raubtiere gab, hatte sie bisher davor bewahrt, sich aus purer Dummheit selbst auszurotten.
Tally betrachtete das tote Reptil einen Herzschlag lang stirnrunzelnd und deutete dann mit einer wütenden Kopfbewegung auf den flachen Trichter, den Hrhons Dolch in den Sand gegraben hatte.
»Nun steig schon ab und such deine Waffe«, sagte sie ungehalten. »Aber beeil dich gefälligst. Ich will nicht noch mehr Zeit verlieren.«
Hrhons Horntier bewegte sich unruhig, als der Waga damit begann, seine Leibriemen zu lösen. Tally konnte sich trotz allem eines flüchtigen Lächelns nicht erwehren, als sie Hrhon bei seinen Vorbereitungen zusah. Wagas waren Kraftpakete; vierhundert Pfund Muskeln und Sehnen, die massive Eisenholztüren so spielend einrennen konnten, wie ein Mensch ein Blatt Papier zerreißt, und deren Entschlossenheit im Kampf durch keine nennenswerte Gehirnmasse beeinträchtigt wurde. Mit bloßen Händen waren sie nicht zu besiegen, jedenfalls nicht von Menschen und auch kaum von irgendeinem anderen Wesen, das sie kannte. Aber sie bezahlten dafür mit einer Tolpatschigkeit, die sie immer wieder zur Zielscheibe von Spott und Hohn werden ließen.
Selbst Tally amüsierte es immer wieder, einem Waga beim Auf- und Absteigen auf sein Reittier zuzusehen, obwohl sie diesen Vorgang schon unzählige Male beobachtet hatte. Wagas waren so kurzbeinig, daß sie sich im Sattel festbinden mußten, um nicht bei der ersten unerwarteten Bewegung ihrer Horntiere aus vier Metern Höhe in den Sand zu fallen.
Während Hrhon damit fortfuhr, seine Leibriemen zu lösen, trieb Tally ihr Pferd mit leisem Schenkeldruck aus dem Schatten des mächtigen Horntieres heraus und trabte langsam den nächsten Dünenhang hinauf. Das Tier wieherte unwillig, als die sengenden Strahlen der Sonne sein ungeschütztes Fell trafen. Tally achtete normalerweise darauf, stets im Schatten der gewaltigen Horntiere zu bleiben, um die Leiber der beiden stachelbewehrten Ungeheuer wie lebende Schutzschilde zwischen sich und der sengenden Sonne zu haben, und sie spürte erst jetzt richtig,