Er hätte auch nicht sehr viel Gelegenheit dazu gehabt; denn der Kreis aus Schatten, der sie umgab, zog sich immer enger zusammen, und nach wenigen Dutzend weiterer Schritte geschah das, was Tally insgeheim schon längst befürchtet hatte: sie bogen in eine schlammige Gasse, die von fensterlosen, aus Stein und Holz errichteten Häusern gesäumt wurden – und Weller blieb so abrupt stehen, daß Hrhon beinahe in ihn hineinrannte. Vor ihnen ging der Weg nicht weiter. Ein gutes Dutzend zerlumpter, ausnahmslos sehr großer Gestalten blockierte die Gasse, angeführt von einem wahren Riesen, der sich lässig auf eine fast mannsgroße Keule stützte. Sein Gesicht sah aus, als wäre es vor nicht langer Zeit mit genau dieser Keule kollidiert – was ihn nicht etwas häßlicher als die meisten seiner Begleiter machte. Tallys Hand schloß sich etwas fester um den Schwertgriff.
»Wer ist das?« flüsterte sie.
»Braku«, antwortete Weller. »Der Schlimmste von allen. Beim Schlund, das hätte nicht passieren dürfen.«
»Was ist so schlimm an ihm?«
»Er haßt mich«, antwortete Weller nervös. »Er hat mir den Tod geschworen. Und bisher hat er sein Wort immer gehalten.«
»Warum?« fragte Tally. »Hast du einmal Geschäfte mit ihm gemacht?«
Weller grinste gequält. »Ja. Aber ich schwöre, daß es ganz ehrlich zuging. Nur gehört Braku zu denen, die sich übervorteilt fühlen, wenn sie ihren Partner nicht betrügen können.«
»Wenn ihr fertig seid, wäre es wirklich großzügig, würdet ihr mit einen Teil eurer kostbaren Aufmerksamkeit schenken«, mischte sich eine dröhnende Stimme ein.
»Falls ich die Herrschaften nicht bei einer wichtigen geschäftlichen Unterredung störe, heißt das.«
Weller erbleichte noch weiter, gebot Tally aber mit einer hastigen Geste, sich nicht einzumischen, und trat den Klorschas einen Schritt entgegen. Braku musterte ihn kühl, aber in seinen Augen stand ein Glitzern, das Tally gar nicht gefiel. In Gedanken wog sie ihre Chancen ab, mit einem raschen Schritt bei ihm zu sein und ihm den Kopf von seinem schmutzigen Hals zu schlagen. Das Ergebnis, zu dem sie kam, besserte ihre Laune nicht wesentlich.
»Schön, dich zu sehen«, sagte Braku grinsend, als Weller näher kam. »Ich nehme an, du bist hier, um dich mit mir auszusöhnen, wie? « Er lachte, setzte seine gewaltige Körperfülle in Bewegung und walzte ein Stück auf Weller zu. Die Keule schwang er sich dabei über die Schulter, als wäre sie gewichtslos. »Ich habe dich lange vermißt, mein Freund. Was ist los – gehen deine Geschäfte so schlecht? Und was sind das für Galgenvögel, die du da bei dir hast?«
»Sssoll isss ihm dhehn Kopf ahbreisssen?« fragte Hrhon ruhig.
Tally fuhr erschrocken zusammen. Hrhon hatte so laut gesprochen, daß Braku schon taub sein mußte, um seine Worte nicht zu verstehen, und tatsächlich sah er auch auf und musterte Hrhon mit einem sehr sonderbaren, halb abschätzenden, halb beinahe mitleidigen Blick. Auf seinen Zügen erschien ein Ausdruck schlecht geschauspielter Überraschung.
»Oha«, sagte er. »Das Ding kann ja sprechen.« Er schob Weller mit einer achtlosen Bewegung zur Seite, wechselte seine Keule von der rechten auf die linke Schulter und kam mit gemächlichen Schritten näher. Tally sah jetzt, daß er tatsächlich ein Stück größer war als Hrhon. Außerdem stank er zum Gotterbarmen.
Zwei Schritte vor dem Waga und ihr blieb er stehen, machte eine übertrieben tiefe Verbeugung und rammte seine Keule in den Boden, um sich wieder darauf zu stützen. Gestattet die Frage, wer Ihr seid, edle Frau«, fragte er spöttisch.
Tally blickte nervös zu Weller, ehe sie antwortete.
»Jemand, der nichts mit eurem Streit zu tun hat, Braku«, sagte sie. Ihre Stimme war nicht ganz so fest, wie ihr lieb gewesen wäre. »Und der auch nichts damit zu tun haben will. Mein Begleiter und ich wollen nur in die Stadt, das ist alles.«
Etwas an ihren Worten schien die Klorschas über die Maßen zu amüsieren, denn die ganze Bande brach ihn dröhnendes Gelächter aus, bis Braku mit einer herrischen Handbewegung für Ruhe sorgte. »Oh, ihr wollt also
»Sssoll isss, oder sssoll isss nissst?« fragte Hrhon. Braku runzelte die Stirn, blickte einen Moment auf den Waga herab und seufzte hörbar. »Dein Begleiter vergißt seine guten Manieren, weißt du das?« fragte er. Die Worte galten Tally, aber er sah Hrhon dabei unverwandt an.
»Still jetzt, Hrhon«, sagte Tally hastig. Zu Braku gewandt, fuhr sie fort: »Verzeiht meinem Begleiter, Braku. Wir sind fremd hier und kennen weder Eure Sitten noch Eure Gebräuche. Wenn wir Euer Gebiet verletzt haben, dann tut es uns leid.«
»Das habt ihr tatsächlich«, sagte Braku ungerührt.
»Aber mit einer Entschuldigung ist es nicht abgetan, fürchte ich.«
Tally nickte. »Ich weiß. Weller... informierte mich, daß Ihr Wegezoll verlangt.«
»So, hat er das?«