Ron schöpfte sich Eintopf auf den Teller und nahm den Löffel in die Hand, begann jedoch nicht zu essen.
»Harry«, sagte er mit leiser und ernster Stimme,»du hast doch nicht etwa zufällig irgendwo einen großen schwarzen Hund gesehen?«
»Doch, hab ich«, sagte Harry.»In der Nacht, als ich von den Dursleys abgehauen bin.«
Rons Löffel fiel klappernd auf den Teller.
»Wahrscheinlich ein streunender Köter«, sagte Hermine gelassen.
Ron sah Hermine an, als wäre sie verrückt geworden.
»Hermine, wenn Harry einen Grimm sieht, dann ist das – dann ist das schlecht«, sagte er.»Mein – mein Onkel Bilius hat mal einen gesehen und – und vierundzwanzig Stunden später ist er gestorben!«
»Zufall«, sagte Hermine schnippisch und schenkte sich Kürbissaft nach.
»Du weißt doch nicht, wovon du redest!«, sagte Ron und Zorn stieg ihm ins Gesicht.»Grimme erschrecken die meisten Zauberer zu Tode!«
»Da hast du es«, sagte Hermine in überlegenem Ton.»Sie sehen den Grimm und sterben vor Angst. Der Grimm ist kein Omen, er ist die Todesursache! Und Harry ist noch unter uns, weil er nicht so bescheuert ist, einen zu sehen und dann zu denken, schön und gut, geb ich also besser den Löffel ab!«
Ron starrte Hermine sprachlos an. Sie öffnete ihre Tasche, zog ihr neues Arithmantikbuch heraus, schlug es auf und lehnte es gegen den Saftkrug.
»Mir kommt Wahrsagen recht neblig vor«, sagte sie, während sie nach der richtigen Seite suchte,»'ne Menge Rumgerätsel, wenn ihr mich fragt.«
»An diesem Grimm auf dem Teller war nichts Nebliges!«, sagte Ron erhitzt.
»Du warst dir noch nicht so sicher, als du Harry gesagt hast, es sei ein Schaf«, sagte Hermine kühl.
»Professor Trelawney hat gesagt, du hast nicht die richtige Aura! Zur Abwechslung bist du mal 'ne richtige Lusche in einem Fach, und das gefällt dir nicht!«
Er hatte einen empfindlichen Nerv getroffen. Hermine klatschte ihr Arithmantikbuch so hart auf den Tisch, daß überall Fleisch- und Karottenstückchen umherflogen.
»Wenn gut sein in Wahrsagen heißt, daß ich so tun muß, als würde ich Todesomen in einem Haufen Teeblätter erkennen, dann weiß ich nicht, ob ich das Zeug überhaupt lernen soll! Dieser Unterricht war im Vergleich zu meiner Arithmantikstunde einfach haarsträubender Unfug!«
Sie packte ihre Tasche und schritt stolz von dannen.
Stirnrunzelnd sah ihr Ron nach.
»Wovon redet sie eigentlich?«, sagte er zu Harry.»Sie war doch noch gar nicht in Arithmantik.«
Harry war froh, nach dem Mittagessen nach draußen zu kommen. Der Regen von gestern hatte sich verzogen; der Himmel war klar und blassgrau; das feuchte Gras unter ihren Füßen federte, als sie zu ihrer ersten Stunde Pflege magischer Geschöpfe gingen.
Ron und Hermine schwiegen sich an. Harry ging ebenfalls schweigend neben ihnen her, über den sanft abfallenden Rasen hinüber zu Hagrids Hütte am Rande des Verbotenen Waldes. Erst als er drei nur zu bekannte Rücken vor sich sah, wurde ihm klar, daß sie zusammen mit den Slytherins Unterricht hatten. Malfoy redete lebhaft auf Crabbe und Goyle ein, die gackernd lachten. Harry ahnte wohl, worüber sie sprachen.
Hagrid wartete an der Tür seiner Hütte auf die Klasse. Da stand er in seinem Umhang aus Maulwurffell, Fang, den Saurüden, an den Fersen, und schien kaum erwarten zu können, endlich anzufangen.
»Kommt, bewegt euch!«, rief er den näher kommenden Schülern zu.»Hab 'ne kleine Überraschung für euch! Wird 'ne tolle Stunde! Sind alle da? Schön, dann folgt mir!«
Einen quälenden Moment lang dachte Harry, Hagrid würde sie in den Wald führen; dort hatte Harry genug Schreckliches erlebt, um für den Rest des Lebens die Nase voll zu haben. Doch Hagrid ging um einen Ausläufer des Waldes herum und fünf Minuten später standen sie am Rand einer Art Pferdekoppel. Sie war leer.
»Stellt euch dort drüben am Zaun auf!«, rief er.«Sehr schön – paßt auf, daß alle etwas sehen können – und jetzt schlagt erst mal eure Bücher auf -«
»Wie denn?«, ertönte das kalte Schnarren Malfoys.
»Was denn?«, sagte Hagrid.
»Wie sollen wir unsere Bücher öffnen?«, sagte Malfoy. Er nahm sein Monsterbuch der Monster heraus, das er mit einem langen Seil zugebunden hatte. Auch die anderen zogen ihre Bücher hervor; manche, wie Harry, hatten es mit einem Gürtel zugeschnürt; andere hatten sie in enge Taschen gestopft oder sie mit großen Wäscheklammern gezähmt.
»Hat denn… hat denn kein Einziger sein Buch öffnen können?«, fragte Hagrid ganz verdattert.
Die Schüler schüttelten die Köpfe.
»Ihr müßt sie streicheln«, sagte Hagrid, als wäre es ganz selbstverständlich.»Seht mal -«
Er nahm Hermines Buch und riß das Zauberband herunter. Das Buch versuchte zu beißen, doch Hagrid fuhr mit seinem riesigen Zeigefinger an seinem Rücken entlang und das Buch fing an zu zittern, klappte auf und blieb ruhig in seiner Hand liegen.
»Oh, wie dumm wir doch alle waren!«, höhnte Malfoy.»Wir hätten sie streicheln sollen! Da hätten wir doch von allein draufkommen können!«
»Ich – ich dachte, sie sind ganz lustige Dinger«, sagte Hagrid unsicher zu Hermine.