Der Patient blickte sichtlich nervös zwischen uns hin und her. Eine Menschentraube begann sich um uns zu sammeln. Ich riss mich zusammen, lächelte ihn an und nickte Murray zu.
»Mr. MacLeod hat es richtig erkannt«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Eine Erkrankung der Leber – verursacht durch einen Überschuss an Körpersäften.« Wahrscheinlich war es ja gar nicht so falsch, Alkohol als Körpersaft zu betrachten; die Leute, die gestern Abend Jamies Whisky getrunken hatten, hatten jedenfalls den Eindruck gemacht, dass ihr Leben davon abhing.
Murrays Gesicht war argwöhnisch und angespannt gewesen, jetzt verlor es vor Erstaunen jeden Ausdruck – ein ausgesprochen komischer Effekt. Brianna nutzte diesen Augenblick und stellte sich vor mich.
»Es gibt da einen Zauber«, sagte sie und lächelte ihm charmant zu. »Er … äh … schärft die Klinge und erleichtert den Fluss der Körpersäfte. Ich werde ihn Euch zeigen.« Bevor er die Klinge fester umfassen konnte, schnappte Brianna sie ihm aus der Hand und wandte sich unserem kleinen Feuer zu, über dem ein Topf mit Wasser dampfend an einem Dreifuß hing.
»Im Namen Michaels, des Schwertträgers und Seelenretters«, intonierte sie. Ich vertraute darauf, dass es keine Blasphemie war, den Namen des heiligen Michael leichtfertig in den Mund zu nehmen – und falls doch, dass Michael angesichts des guten Zwecks nichts dagegen hatte. Die Männer, die dabei waren, das große Feuer aufzuschichten, waren stehen geblieben, um uns zuzusehen, genau wie eine Reihe von Leuten, die die Sprechstunde aufsuchen wollten.
Sie hob die Aderlassklinge und machte langsam ein großes Kreuzzeichen damit, wobei sie sich nach allen Seiten hin umsah, um sich zu vergewissern, dass ihr die Aufmerksamkeit sämtlicher Zuschauer sicher war. So war es; sie waren völlig gebannt. Mir ging es nicht anders, denn ich fragte mich, was in aller Welt sie vorhatte. So, wie sie hier die meisten Gaffer überragte, die blauen Augen konzentriert zusammengekniffen, erinnerte sie mich sehr an Jamie bei einer seiner gewagten Vorstellungen. Ich konnte nur hoffen, dass sie genauso überzeugend war wie er.
»Segne diese Klinge, auf dass sie deinen Diener heile«, sagte sie. Dabei wandte sie die Augen himmelwärts und hielt die Aderlassklinge über das Feuer wie ein Priester die Hostie bei der Wandlung. Im Wasser stiegen Bläschen auf, doch es kochte noch nicht ganz.
»Segne ihre Schneide, auf dass sie den Aderlass vollziehe, auf dass sie Blut vergieße, auf dass … äh … sie das Gift aus dem Körper deines demütigen Bittstellers vertreibe. Segne die Klinge, segne die Klinge, segne die Klinge in der Hand deines untertänigen Dieners … Dank sei Gott für das glänzende Metall …« Dank sei Gott für die vielen Wiederholungen in gälischen Gebeten, dachte ich zynisch.
Dank sei Gott, das Wasser kochte. Sie senkte die kurze, gebogene Klinge auf die Wasseroberfläche, funkelte die Menge bedeutungsvoll an und deklamierte: »Segne diese Klinge mit der reinigenden Kraft des Wassers aus der Seite unseres Herrn Jesus!«
Sie tauchte das Messer ins Wasser und hielt es dort, bis der Dampf, der an seinem Holzgriff aufstieg, ihr die Finger rötete. Dann zog sie es aus dem Wasser und nahm es hastig in die andere Hand. Sie hielt es hoch, während sie in ihrem Rücken unauffällig mit der verbrühten Hand wedelte.
»Möge der Segen des heiligen Michael, der uns gegen die Dämonen verteidigt, auf dieser Klinge und der Hand ihres Benutzers ruhen, zum Wohle des Körpers, zum Wohle der Seele. Amen!«
Sie trat vor und überreichte Murray feierlich seine Klinge, mit dem Griff zuerst. Murray, der kein Dummkopf war, warf mir einen Blick zu, in dem sich der blanke Argwohn mit einer widerstrebenden Hochachtung vor den theatralischen Fähigkeiten meiner Tochter vermischte.
»Ihr dürft die Klinge nicht berühren«, sagte ich und lächelte huldvoll. »Es würde den Zauber brechen. Oh – und Ihr müsst den Zauber jedes Mal wiederholen, wenn Ihr die Klinge benutzt. Und das Wasser muss dabei
»Mmpfm«, sagte er, fasste die Aderlassklinge jedoch sorgfältig am Griff an. Mit einem kurzen, an Brianna gerichteten Kopfnicken wandte er sich seinem Patienten zu und ich mich dem meinen – einem jungen Mädchen, das Nesselfieber hatte. Brianna folgte mir. Dabei wischte sie sich die Hände an ihrem Rock ab und machte ein selbstzufriedenes Gesicht. Hinter mir hörte ich das leise Grunzen des Patienten und dann ein metallisches Prasseln, als das Blut in die Schale rann.
Ich hatte ein ausgesprochen schlechtes Gewissen, wenn ich an Murrays Patienten dachte, aber Brianna hatte völlig Recht gehabt; es gab absolut nichts, was ich unter diesen Umständen für ihn hätte tun können. Langfristige, sorgsame Pflege in Verbindung mit exzellenter Ernährung und vollständiger Alkoholabstinenz konnten ihm möglicherweise das Leben verlängern; die Chancen auf Ersteres waren gering, die auf Letzteres gleich null.