Thoreau, wie es mir scheint, war der erste, der dieses vor 50 Jahren ausgesprochen hat. Damals hat Niemand seiner Weigerung und seinem Aufsatze Aufmerksamkeit geschenkt,—so sonderbar erschien dieses. Man erklärte es als Excentricität.3 Jetzt aber nach 50 Jahren ruft ihre Weigerung schon Gespräche hervor, wie immer bei der Äusserung neuer Wahrheiten der Fall ist, ruft doppeltes Staunen hervor, einerseits Staunen darüber, dass ein Mensch derartig sonderbare Dinge äussert, und zugleigh auch Staunen darob, wieso ich selbst schon längst nicht darauf gekommen bin, was dieser Mensch da sagt, da es so augenscheinlich und unzweifelhaft ist.
Derartige Wahrheiten, wie die ist, dass der Christ kein Soldat, d. h. kein Mörder, auch kein Diener einer Institution sein kann, welche auf Gewalt und Mord beruht, sind so unzweifelhaft, so einfach und so unstürzbar, dass es keiner Erörterungen, keiner Beweisführung, keiner Schönrederei dazu bedarf; um dass sie von den Menschen angeeignet werden, nöthig ist’s nur nicht aufhören dieselben zu wiederholen, damit sie von der Mehrzahl vernommen und begriffen werden.
Wahrheiten, wie die, dass der Christ kein Theilnehmer beim Morde sein kann, dass er nicht dienen, weder einen vermittelst der Mörderanführer gewaltthätig von den Armen erpressten Gehalt beziehen kann, sind so einfach und unanfechtbar, dass ein Jeder, welcher sie hört, unmöglich damit nicht übereinstimmen kann. Falls einer, der sie gehört hat, dennoch fortfährt im Gegensatz zu diesen Wahrheiten zu handeln, so geschieht solches nur deswegen, weil er gewohnt ist, ihnen entgegen zu handeln, weil es ihm schwer fällt sich zu überwältigen, weil die Mehrzahl auch so, wie er, handelt, infolgedessen das Nichtbefolgen dieser Wahrheiten ihn der Achtung der Mehrzahl der von ihm Geachteten nicht entledigt.
Es geschieht da dasselbe, was beim Vegetarismus. «Der Mensch kann leben und gesund sein, ohne Tödten von Thieren für seine Nahrung, folglich wirkt er dem Thierestödten bei, falls er Fleisch isst, einzig der Lust seines Gaumens zu lieb. So zu handeln ist unsittlich». Dies ist so einfach und zweifellos, dass man nicht umhin kann, damit nicht übereinzustimmen. Da jedoch die Mehrzahl noch Fleisch isst, so erwiedern die Menschen, nachdem sie solche Auseinandersetzung gahört und begriffen, so hart lachend hierauf: «ein gates Stück Beafsteaks ist dennoch ein prächtiges Ding, und ich werde es mit Vergnügen heute zu Mittag verzehren».
Ganz so verhalten sich jetzt Offiziere und Beamte gegenüber der Beweisführung betreffs der Unvereinbarkeit nicht nur des Christenthums, aber auch der Humanität mit dem Militär und Staatsdienste. «Selbstverständlich ist es richtig, sagt der Beamte,— dennoch aber ist es angenehm eine Uniform und Epoletten zu tragen, die einem überall Eingang und Achtung schaffen, und noch angenehmer ist’s unabhängig von jeder Eventualität, pünktlich und sicher jeden Ersten des Monats seinen Gehalt zu beziehen. So dass Euere Erörterung wohl richtig ist, ich jedoch werde trachten Zulage und Pension zu bekommen». Ihre Erörterung ist richtig, sagt der Fleischesser, aber erstens braucht der Ochse nicht eigenhändig getödtet [zu] werden, da er bereits getödtet ward, und braucht man nicht selber Steuern sammeln, da solche bereits gesammelt sind, und man kann im Militär dienen ohne genöthigt zu sein eigenhändig Menschen zu tödten; zweitens, hat die Mehrzahl der Menschen diese Erörterung nicht gehört und weiss auch nicht, dass es böse sei, so zu handeln. Und so kann man denn fortbestehen, ohne sich von Beafsteaks und von der so vieles Angenehme bietende Uniform, den Orden und hauptsächlich des allmonatlichen sicheren Gehaltes zu trennen. «Und was dann — das wird sich schon zeigen.»
Die ganze Sache hält sich darauf, dass die Menschen die Erörterungen, welche Ihnen die Ungerechtigkeit und Schuld ihres Lebens blosstellen, nicht gehört haben. Und deswegen soll man nicht aufhören, sie zu wiederholen.
Carthago delenda est...4 Und Carthago wird ohne Zweifel fallen.
Ich behaupte nicht, dass der Staat und seine Macht aufhören wird, diese wird nicht so bald noch aufhören, es giebt noch gar viel rohe Elemente in den Massen, welche sie noch aufrechterhalten, — jedoch es wird die christliche Stütze des Staates vernichtet, d. h. die Gewaltausüber werden aufhören ihre Autorität mit der Heiligung des Christenthumes zu schützen. Gewaltausführer werden Gewaltausführer heissen und nichts mehr. Und sobald solches geschehen ist, wird es ihnen unmöglich sein sich mit dem Pseudochristenthume zu manteln, dann wird auch das Ende jeder Gewalttätigkeit nahe sein.
Nun so trachten wir denn dieses Ende näher zu bringen. Carthago delenda est. Der Staat ist Vergewaltigung, das Christenthum ist Duldsamkeit, Nichtwiederstreben, Liebe; deswegen kann der Staat nicht christlich sein, und ein Mensch, der ein Christ sein will, kann nicht dem Staate dienen. Es kann kein christlicher Staat geben. Der Christ kann dem Staate nicht dienen. Es kann kein christlicher Staat geben.... u. s. w.