Wenn man bedenkt, wie die allgemeine Meinung bei der jetzigen Verbreitung der Presse sich bildet, wo über die ernstesten Fragen Menschen urtheilen, die von diesen Fragen keinen Begriff haben und ihrer Bildung nach sogar kein Recht haben über dieselben zu Urteilen, wenn man weiter bedenkt, wer die Leute sind, die in der Presse arbeiten, so hat man sich nicht über falsche Urteile, die sich in dem Massen (Menge) verbreitet haben zu wundern, sondern eher über das, dass man überhaupt noch manchmal, wenn auch sehr selten, richtigen Urteilen begegnet. Dies bezieht sich besonders auf die Schätzung poetischer Werke. Über schmackhafte Speisen, angenehme Gerüche, überhaupt über angenehme Empfindungen kann Jedermann urteilen (wenn es auch Leute giebt, die des Geruchsinnes entbehren und solche die farbenblind sind), um jedoch über ein Kunstwerk zu urtheilen, muss man Kunstsinn haben, und dieser ist sehr rar und sehr ungleichmässig verteilt. Der Wert eines Kunstrwerkes wird ja bei der jetzigen Verbreitung der Presse durch das Urtheil der Scharen der Journalisten und Leser bestimmt. In den Scharen aber ist die Mehrheit der Menschen dumm und stumpf in Bezug auf Kunst, weshalb auch die allgemeine Meinung über die Kunst stets die aller gröbste und falscheste ist. So war es immer und so ist es besonders heutzutage, wo die Presse immer mehr und mehr die für Gedanken und Kunst stumpfsinnige Menschen vereinigt. So kann es jetzt in der Kunst — in der Litteratur, Musik. Malerei — zu überraschenden Beispielen des Erfolges und Lobes solcher Schöpfungen, denen jeder aesthetische und noch mehr jeder gesunde Sinn fehlt.
Ich will keine Namen nennen, weil wenn Sie mit den Ausserungen der Geisteskrankheit, die heutzutage Kunst genannt wird, vertraut sind, Sie selber Namen und Werke nennen können. Und deshalb erwarte ich nicht nur nicht, dass der falsche Ruhm Shakespeares und anderer (die ich nicht nennen will, um die Leute nicht zu ärgern) vernichtet werde, sondern ich erwarte und sehe das Entstehen ebensolchen Ruhmes neuer Shakespeare, der sich allein auf die Dummheit und den Stumpfsinn der Menschen der Presse und des grossen Publikums stützt. Ich erwarte sogar, dass dieses Sinken des allgemeinen Vernunftsniveau immer grösser und grösser wird nicht nur in der Kunst, sondern auch allen anderen geistigen Gebieten: in der Wissenschaft, Politik und besonders der Philosophie. (Kant kennt schon niemand, man kennt Nietzsche7) und es kommt zu einem allgemeinen Krach der Civilisation, in der wir leben, einem ebensolchen, wie der Verfall der aegiptischen, babylonischen, griechischen, römischen Civilisation war.
Die Psychiater wissen, dass wenn jemand viel zu reden ohne Aufhören zu reden, über Alles in der Welt zu reden anfängt, ohne zu bedenken und nur um eilends möglichst viele Worte in kürzester Zeit zu sagen, dass dies ein sicheres Zeichen einer beginnenden oder bereits entwickelten Geisteskrankheit ist. Und wenn der Kranke dabei vollkommen überzeugt ist, dass er alles besser weiss als die anderen, dass er alle durch seine eigene Weisheit belehren kann und belehren muss, so sind die Zeichen der Geisteskrankheit schon offenkundig. Unsere sogennante civilisierte Welt befindet sich in diesem gefährlichen und traurigen Zustande. Und ich glaube, dass sie bereits einem solchen Zussammensturze sehr nahe ist, wie jene in welchen die frühem Civilisationen untergegangen sind. Ein sicheres und bedeutungsvolles Zeichen dafür ist die Begriffsverdrehung der Menschen unserer Welt, die nicht nur in der Uberschätzung Shakespeares sondern in allen Beziehungen sowol zur Politik, wir zur Wissenschaft, Philosophie und Kunst zum Ausdruck gelangt.
Leo Tolstoy.
2/15 März 1907.
1907 г. Марта 2/15. Я. П.
M. Г.
Я с большим интересом прочел вашу книгу. Ваши доводы о том, что Novum Organum б[ыло] написано не Бэконом,1 а также и драмы, приписываемые Шекспиру, написаны не им, очень убедительны, но я слишком мало компетентен в этом деле для того, чтобы ein entscheidenden Urtheil zu fällen.2 Одно, что я несомненно знаю, это то, что не только большинство драм, приписываемых Шекспиру, но и все они, не исключая из них Гамлета и др., не только не заслуживают того восхваления, с которыми привыкли судить о них, но в художественном отношении unter aller Kritik.3 Так что только в признании достоинств тех некоторых драм, которые вы выделяете из всех остальных, я не согласен с вами.