Die Königin lächelte höhnisch. „Viele mächtige Könige dachten, sie könnten sich gegen das Königshaus von Charn stellen. Aber alle fielen, und selbst ihre Namen sind in Vergessenheit geraten. Törichter Knabe! Glaubst du nicht, daß mir – mit meiner Schönheit und meiner Zauberei – eure ganze Welt zu Füßen liegen wird, noch bevor ein Jahr verstrichen ist? Sagt eure Zaubersprüche auf und bringt mich hin! Sofort!"
„Das ist ja entsetzlich!" stöhnte Digory.
„Vielleicht sorgt ihr euch ja um euren Onkel", sagte Jadis. „Doch wenn er mir die gebührende Ehre zollt, dann soll er sein Leben und seinen Thron behalten.
„Er ist überhaupt kein König", erklärte Digory.
„Du lügst", sagte die Königin. „Ist die Magie nicht immer an königliches Blut gebunden? Wer hätte jemals von einem gewöhnlichen Menschen gehört, der Zauberer ist? Ich kenne die Wahrheit, ob du sie nun zugibst oder nicht. Dein Onkel ist der mächtige König und der mächtige Zauberer eurer Welt. Durch seine Kunst hat er den Schatten meines Gesichts gesehen, sei es in einem Zauberspiegel, sei es in einem Zauberteich, und aus Liebe zu meiner Schönheit hat er einen wirksamen Zauberspruch gefunden, der eure Welt bis in die Grundfesten erschütterte. Und dann hat er euch über den weiten Strom zwischen den Welten gesandt, um meine Gunst zu erbitten und mich zu ihm zu bringen. Antwortet mir: Ist
„Na ja,
Nicht ganz?" schrie Polly. „Also das ist absoluter Quatsch, von vorn bis hinten!"
Elende! Du wagst es?" schrie die Königin. Sie drehte sich voller Wut zu Polly um und packte sie an den Haaren – und zwar ganz oben auf dem Kopf, dort, wo es am meisten weh tut. Doch dabei ließ sie die Hände der Kinder los.
„Jetzt!" rief Digory.
„Schnell!" schrie Polly. Wie der Blitz steckten sie die linke Hand in die Tasche, und in dem Augenblick, in dem sie die Ringe berührten, versank diese trostlose Welt vor ihren Augen. Sie sausten aufwärts, auf das warme grüne Licht zu, das immer näher kam.
Onkel Andrew hat Probleme
„Laß los! Laß doch los!" kreischte Polly und schlug wild um sich.
„Ich faß dich doch gar nicht an!" wehrte sich Digory.
Dann durchstießen sie die Wasseroberfläche des Teichs, und wieder waren sie ringsumher von der sonnigen Stille des Waldes zwischen den Welten umgeben. Jetzt, nach der dumpfen Leblosigkeit und dem Verfall der Welt, aus der sie soeben kamen, erschien ihnen der Wald noch üppiger und wärmer und friedlicher als jemals zuvor. Wenn es möglich gewesen wäre, hätten sie sicher wieder vergessen, wer sie waren und woher sie kamen, hätten sich wohlig ins Gras gelegt und im Dämmerschlaf dem Wachsen der Bäume gelauscht. Doch diesmal blieben sie hellwach, denn gleich als sie auf dem grasbewachsenen Ufer anlangten, stellten sie fest, daß sie nicht allein waren. Die Königin – oder die Hexe, je nachdem, wie man sie nennen will – war ebenfalls mitgekommen, denn sie hatte sich an Pollys Haar festgehalten. Deshalb hatte Polly „Laß los!" gerufen.
Das bewies im übrigen, daß die Ringe eine weitere Eigenschaft besaßen, von der Onkel Andrew Digory nichts gesagt hatte, weil er nämlich selbst nichts davon wußte. Man brauchte nicht unbedingt einen eigenen Ring, um von einer Welt zur anderen zu gelangen. Es reichte, wenn man sich an jemandem festhielt, der selbst einen Ring berührte. Es funktionierte so ähnlich wie ein Magnet: Wenn man an den eine Nadel hängt, dann bleiben all die anderen Nadeln ebenfalls hängen, welche die erste Nadel berühren.
Jetzt im Wald sah Königin Jadis total anders aus. Sie war viel blasser als zuvor; so blaß, daß von ihrer Schönheit fast nichts mehr zu sehen war. Sie stand vornübergebeugt und schien kaum noch Luft zu kriegen. Jetzt hatten die beiden überhaupt keine Angst mehr vor ihr.
„Lassen Sie mich los! Lassen Sie mein Haar los!" befahl Polly. „Was soll denn das?"
„He! Lassen Sie sofort Pollys Haar los! Sofort!" befahl Digory.
Beide drehten sich um und begannen, mit der Königin zu raufen. Jetzt waren die Kinder stärker, und schon bald mußte Jadis loslassen. Keuchend taumelte sie zurück. In ihren Augen lag panische Angst.
„Schnell, Digory!" rief Polly. „Wir müssen die Ringe wechseln und in den Teich springen, der nach Hause führt!"
„Hilfe! Hilfe! Gnade!" flehte die Königin mit schwacher Stimme und kam hinter ihnen hergetaumelt. „Nehmt mich mit! Ihr könnt mich doch nicht an diesem gräßlichen Ort zurücklassen! Er bringt mich um!"
„Hier geht es um staatspolitische Hintergründe!" sagte Polly gehässig. „So wie damals, als Sie all die Leute in Ihrer eigenen Welt umgebracht haben. Nun beeil dich doch, Digory!" Sie hatten schon ihre grünen Ringe angesteckt, doch Digory zögerte noch.
„Oje! Was sollen wir nur machen?" Trotz allem hatte er ein bißchen Mitleid mit der Königin.