Читаем Der Cartoonist полностью

Seltsamerweise machte sich hier Scotts grundlegende physiologische Ausstattung bemerkbar. Was er gerade erlebte, war eine massive Reaktion auf die ganze Situation — etwas, das Laien als Flucht- oder Kampf-Instinkt bezeichnen. Es ist ein Instinkt, mit dem man völlig automatisch auf Gefahr oder Furcht reagiert, und er ist allen höheren Lebensformen eigen. Dieser Instinkt drängte ihn jetzt, sich entweder zur Wehr zu setzen oder auf der Stelle wegzurennen.

Aber warum? Welche Gefahr sollte ihm hier drohen?

Mit leicht benebeltem Kopf lehnte sich Scott an den Türrahmen. Das nicht verbrauchte Adrenalin erzeugte ein Schwindelgefühl. Erneut blickte er zu dem alten Mann im Rollstuhl hinüber, taxierte ihn, versuchte ihn im Licht der Vernunft einzuschätzen.

Oh, heilige Vernunft, dachte er und spürte einen Anflug von Verrücktheit, du trügerischste aller menschlichen Gaben. Er ist doch nur ein Schwächling von nicht mal einem Zentner. Du könntest ihm genauso mühelos das Genick brechen, wie du seinen Bleistift knickst...

Jetzt bewegte sich der Bleistift schneller über das Blatt, genau wie beim letzten Mal, als Scott in der Nähe gestanden hatte. Es klang wie ein raues, abgehacktes Flüstern. Angespornt von dem Geräusch, tat Scott einen weiteren Schritt vorwärts und stürmte dann fast ins Zimmer. Während er bis zum Rollstuhl vordrang und sich darüber beugte, musterte er das Blatt auf dem Klemmbrett. Aber es war nichts Besonderes darauf zu sehen, nur zwei oder drei makaber wirkende Friedhofsszenen — ziemlich durchgeknallt, aber nichts sagend.

Scotts Körper entspannte sich vor Erleichterung. Seufzend zog er einen Stuhl heran, setzte sich zwischen den alten Mann und den Heizkörper und versuchte, sich in das Blickfeld des Zeichners zu schieben. Ohne auf Scott zu achten, fuhr dieser fort zu skizzieren, während das Radio neben ihm krächzte und dröhnte.

»Hallo«, sagte Scott, um eine beruhigende, gleichmütige Stimme bemüht. Aber sein Mund war heiß und trocken, so dass die Worte nur schwer herauskamen. »Können Sie mich hören?«

Als sich der Blick des Alten im Zwielicht der Dämmerung fast unmerklich verlagerte, zuckte Scott zusammen. Wieder ertappte er sich dabei, wie er den Mann taxierte, wie einen Gegner fixierte, mit dem eine körperliche Auseinandersetzung unvermeidlich schien.

In physischer Hinsicht konnte der Alte ihm nichts anhaben. Seine hellseherische Fähigkeit war zwar eine unheimliche Gabe, bot aber allenfalls einen schwachen Ausblick auf die Zukunft, was ein ungewöhnliches, aber nicht unbekanntes Phänomen darstellte. Es war eine nicht kontrollierbare, nicht vorsätzliche Sache.

Warum dann diese blinde Angst? Warum hab ich dennoch das Gefühl, hier in größerer Gefahr zu schweben, als wenn ich die Eiger-Norwand ohne Seil erklimmen würde?

Scott versuchte es erneut: »Ich möchte, dass Sie mit dem Zeichnen aufhören und sich mit mir unterhalten«, sagte er so gelassen wie möglich. »Ich möchte, dass Sie mit mir reden. Ich weiß, dass Sie es können, das weiß ich wirklich. Warum hören Sie nicht mit dem Zeichnen auf und reden mit mir? Ich will Ihnen nichts Böses, Sie können mir vertrauen.«

Scott fuhr in diesem sanften, vortastenden, eintönigen Singsang fort, während er im Zwielicht das uralte Gesicht nach irgendeinem Zeichen des Begreifens absuchte - nach einem Blinzeln der Augenlider, einem verräterischen Zucken des Mundwinkels oder einer anderen, kaum wahrnehmbaren Veränderung, die zeigte, dass der Alte ihn verstand.

Oder aber verriet, dass der Zeichner ihm ganz bewusst etwas vormachte. Diese Möglichkeit versetzte Scott einen plötzlichen Schock. Seine Gedanken wanderten zum Abend seines Geburtstages zurück, zum Esstisch bei ihm zu Hause. Damals hatte er die Gesichter von Krista und Kath genauso forschend gemustert, allerdings nicht nach Zeichen des Verstehens, sondern der bewussten Täuschung gesucht.

War der Mann womöglich ein Simulant ? Es war eine verlockende, wenn auch nicht sonderlich plausible Erklärung für sein Verhalten, eine Möglichkeit, die er nicht allzu leichtfertig verwerfen durfte.

»Es gibt nichts, vor dem Sie Angst haben müssten«, sagte er leise, obwohl er bei diesem seltsamen kleinen Mann keine Angst spüren konnte, nicht die kleinste Spur von Angst. »Ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Wir Arzte und Schwestern hier sind alles Fachleute, die Ihnen helfen möchten. Aber dazu müssen Sie auch selbst mitarbeiten, mit uns reden, uns an Sie heranlassen.«

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Грегори Киз , Эдвард Ли

Фантастика / Ужасы / Фэнтези