Auf einmal fuhr Herr Goljadkin zusammen. Der rötliche, völlig durchnäßte Bart seines Kutschers blickte wieder zu ihm hinter das Holz.
»Ich komme gleich, mein Freund; weißt du, mein Freund, sogleich; sofort komme ich, mein Freund!« antwortete Herr Goljadkin mit zitternder, gramvoller Stimme.
Der Kutscher kratzte sich im Nacken, strich sich dann den Bart glatt und trat einen Schritt vor. Hierauf blieb er stehen und blickte Herrn Goljadkin mißtrauisch an.
»Ich komme sofort, mein Freund; ich will nur... siehst du, mein Freund... ich will nur noch ein wenig... siehst du, mein Freund, ich will nur noch eine Sekunde hier... siehst du, mein Freund...«
»Wollen Sie vielleicht überhaupt nicht mehr fahren?« sagte endlich der Kutscher, indem er entschlossen an Herrn Goljadkin herantrat.
»Doch, mein Freund; ich komme gleich. Siehst du, mein Freund, ich warte nur noch...«
»Na, gut...«
»Siehst du, mein Freund, ich... Aus welchem Dorfe bist du denn, mein Lieber?«
»Wir sind Leibeigene...«
»Hast du eine gute Herrschaft?...«
»Es geht...«
»Ja, mein Freund, bleib nur noch ein bißchen bei mir, mein Freund! Siehst du, mein Freund, bist du schon lange in Petersburg?«
»Ich fahre schon ein Jahr...«
»Und geht es dir gut, mein Freund?«
»So ziemlich.«
»Ja, mein Freund, ja. Danke der Vorsehung, mein Freund! Einen guten Menschen kannst du jetzt lange suchen, mein Freund. Heutzutage sind gute Menschen selten geworden, mein Lieber; ein guter Mensch hält dich sauber, mein Lieber, und gibt dir zu essen und zu trinken. Aber siehst du, manchmal fließen Tränen auch auf das Gold, mein Freund... siehst du, hier hast du ein bedauernswertes Beispiel vor dir; so ist das, mein Lieber...«
Dem Kutscher schien Herr Goljadkin leid zu tun. »Na, wenn Sie wollen, werde ich noch warten. Wollen Sie denn noch lange hierbleiben?«
»Nein, mein Freund, nein; ich werde jetzt, weißt du, hm... ich werde jetzt nicht mehr warten, mein Lieber... Wie denkst du darüber, mein Freund? Ich schenke dir Vertrauen. Ich werde hier nicht mehr warten...«
»Werden Sie vielleicht überhaupt nicht mehr fahren?«
»Nein, ich fahre nicht mehr, mein Freund, nein; aber ich danke dir, mein Lieber... so ist das. Wieviel bekommst du denn, mein Lieber?«
»Was wir abgemacht haben, Herr, das müssen Sie mir auch geben. Ich habe lange gewartet, Herr; Sie werden ja einen armen Menschen nicht zu Schaden bringen wollen, Herr.«
»Nun, da hast du dein Geld, mein Lieber, da hast du es!« Damit gab Herr Goljadkin dem Kutscher die ganzen sechs Rubel. Er entschloß sich nun im Ernst, keine Zeit weiter zu verlieren, sondern sich davonzumachen, um so mehr da die Sache bereits endgültig entschieden und der Kutscher entlassen war und es folglich keinen Zweck mehr hatte, länger zu warten; so verließ er denn den Hof, ging durch den Torweg, wandte sich links und begann, ohne sich umzusehen, keuchend und froh davonzulaufen. »Vielleicht gestaltet sich noch alles gut,« dachte er, »und ich bin auf diese Art dem Unheil entronnen.« Wirklich war es Herrn Goljadkin auf einmal sehr leicht ums Herz geworden. »Ach, wenn sich doch alles gut gestalten wollte!« dachte unser Held, obwohl er selbst wenig daran glaubte. »Nun will ich, hm...« dachte er. »Nein, ich, will es lieber so machen; ich will die Sache von einer andern Seite angreifen... Oder soll ich lieber so verfahren?...« Während sich unser Held so mit seinen Zweifeln abmühte und zur Klarheit zu gelangen suchte, war er bis zur Semjonowski-Brücke gelaufen und faßte nun den verständigen, endgültigen Beschluß, wieder umzukehren. »Das wird das beste sein,« sagte er sich. »Ich will die Sache lieber von einer anderen Seite angreifen, d.h. folgendermaßen: ich werde ganz einfach unbeteiligter Beobachter sein, weiter nichts; ich bin nur ein Beobachter, eine unbeteiligte Person; dann mag sich dort begeben, was da will, ich trage keine Schuld daran. So ist das! So soll es jetzt sein!«