Peak rieb sich die Augen. Täuschte er sich, oder war der Wasserspiegel gesunken? Das Dröhnen von Maschinen mischte sich in den allgemeinen Lärm, und er begriff: Sie pumpten das Deck leer! Das Wasser wurde aus den Ballasttanks gepresst. Unmerklich hob sich das Heck der
»Festhalten«, sagte Greywolf.
Peak klammerte sich an die Schulter des Hünen und versuchte mitzuhumpeln. Selber nicht eben klein, kam er sich neben Greywolf schmächtig und kraftlos vor. Er stöhnte auf. Greywolf hob ihn kurz entschlossen in die Höhe und lief mit ihm den Pier entlang zum künstlichen Gestade.
»Stopp«, keuchte Peak. »Das reicht. Runterlassen.«
Greywolf ließ ihn sanft zu Boden sinken. Sie waren unmittelbar vor dem Tunnel, der zum Laboratorium führte. Von hier aus konnte man das gesamte Becken überblicken. Peak erkannte, dass die Seitenwände des Delphinariums wieder sichtbar wurden. Unverändert dröhnten die Pumpen. Er dachte an die Menschen in dem Becken, die wahrscheinlich alle tot waren, an die Soldaten, an Delaware und Browning …
An Anawak!
Sein Blick suchte das Wasser ab. Wo war Anawak?
Prustend tauchte er auf, unmittelbar vor dem Gestade. Greywolf sprang hinzu und half ihm aufs Trockene. Sie sahen zu, wie das Wasser weiter absank. Nun konnten sie ein großes Wesen erkennen, das mattblaues Licht abstrahlte und das Becken durchstreifte, als suche es einen Weg nach draußen. Seine Form erinnerte an einen schlanken Wal oder eine gedrungene Seeschlange. Keine Lichtblitze zuckten mehr über seinen Körper, keine Tentakel entwuchsen der Masse. Es schwamm in jede Ecke, schlängelte sich an den Wänden entlang, suchte schnell und systematisch nach dem Ausweg, den es nicht gab.
»Verdammtes Scheißvieh!«, keuchte Peak. »Jetzt wird es trockengelegt.«
»Nein. Wir müssen es retten.«
Das war Rubins Stimme. Peak wandte den Kopf und sah den Biologen im Tunnel auftauchen. Er zitterte und hielt die Arme um seinen Körper geschlungen, aber in seinen Augen flackerte wieder das Leuchten, als er darauf bestanden hatte, die Gallerte ins Schiff zu lassen.
»Retten?«, echote Anawak.
Rubin kam in zögerlichen Schritten näher. Er schaute wachsam auf das Becken, in dem die Kreatur immer schneller ihre Runden drehte. Der Wasserspiegel betrug noch maximal zwei Meter. Das Wesen verbreiterte seine Körperfläche, wohl um seinen Tiefgang zu verringern.
»Das ist eine einmalige Chance«, sagte er. »Versteht ihr denn nicht? Wir müssen sofort den Hochdrucksimulator dekontaminieren. Die Krebse raus, frisches Wasser rein und möglichst viel von diesem Ding. Das ist viel besser als die Krebse. Damit können wir …«
Mit einem Sprung war Greywolf bei ihm, legte beide Hände um Rubins Hals und drückte zu. Der Biologe riss Mund und Augen auf. Seine Zunge kam zum Vorschein.
»Jack!« Anawak versuchte, Greywolfs Arme nach hinten zu ziehen. »Hör auf damit!«
Peak stemmte sich hoch. Sein linker Fuß hielt der Belastung stand. Offenbar war er nicht gebrochen, aber er schmerzte höllisch, sodass er kaum einen Schritt gehen konnte. Dennoch. Er musste etwas für das Arschloch tun, ob er wollte oder nicht.
»Jack, das bringt nichts«, rief er. »Lassen Sie den Mann los.«
Greywolf reagierte nicht. Er hob Rubin hoch. Dessen Gesicht begann sich ins Bläuliche zu verfärben.
»Das reicht, O’Bannon!«
Li kam aus dem Tunnel, in Begleitung einiger Soldaten.
»Ich bringe ihn um«, sagte Greywolf ruhig.
Die Kommandantin trat einen Schritt näher und umfasste Greywolfs rechtes Handgelenk. »Nein, O’Bannon, das werden Sie nicht tun. Mir ist egal, welche Rechnung Sie mit Rubin offen haben, aber seine Arbeit ist wichtig.«
»Jetzt nicht mehr.«
»O’Bannon! Bringen Sie mich nicht in die missliche Lage, Ihnen wehtun zu müssen.«
Greywolfs Blick flackerte. Seine Augen hefteten sich auf Li. Offenbar kam er zu der Einsicht, dass sie es ernst meinte, denn er ließ Rubin langsam wieder herunter und löste die Hände von seinem Hals. Der Biologe fiel röchelnd auf die Knie. Er würgte und spuckte.
»Seinetwegen ist Licia gestorben«, sagte Greywolf tonlos.
Li nickte. Plötzlich veränderten sich ihre Gesichtszüge. »Jack«, sagte sie beinahe sanft. »Es tut mir Leid. Ich verspreche Ihnen, sie wird nicht umsonst gestorben sein.«
»Sterben ist immer umsonst«, erwiderte Greywolf tonlos. Er wandte sich ab. »Wo sind meine Delphine?«