Ich merke, daß Karl, ein ehrlicher, einfacher Mann, der eine sofortige Belohnung für seinen Kniefall erwartet hat, wieder wütend hoch will. Wenn er mit der blutenden Nase einen Ringkampf beginnt, ist alles verloren. Frau Beckmann wird ihm vielleicht die Kassiererin aus dem»Hohenzollern«, aber nie den verdorbenen Kimono verzeihen. Ich trete ihm von hinten auf den Fuß, halte mit einer Hand seine Schulter herunter und sage:»Frau Beckmann, er ist unschuldig! Er hat sich für mich geopfert.«
»Was?«
»Für mich«, wiederhole ich.»Unter Kameraden aus dem Kriege kommt so was vor -«
»Was? Ihr mit eurer verfluchten Kriegskameradschaft, ihr Lügenhälse und Gauner – und so was soll ich glauben!«
»Geopfert!«sage ich.»Er hat mich mit der Kassiererin bekanntgemacht, das war alles.«
Frau Beckmann richtet sich mit flammenden Augen auf.
»Was? Sie wollen mir doch nicht einreden, daß ein junger Mann wie Sie auf so ein altes, abgetakeltes Stück fliegt wie diesen Kadaver im „Hohenzollern“!«
»Nicht fliegen, gnädige Frau«, sage ich.»Aber in der Not frißt der Teufel Fliegen. Wenn einen die Einsamkeit an der Gurgel hat -«
»Ein junger Mann wie Sie kann doch andere kriegen!«
»Jung, aber arm«, erwidere ich.»Frauen wollen heutzutage in Bars geführt werden, und wenn wir schon davon reden, dann werden Sie mir doch zugeben, daß, wenn Sie schon mir, einem alleinstehenden Junggesellen im Sturm der Inflation, die Kassiererin nicht glauben, es doch völlig absurd wäre, so etwas von Karl Brill anzunehmen, der sich der Gunst der schönsten und interessantesten Frau von ganz Werdenbrück erfreut, unverdientermaßen, zugegeben -«
Das Letzte saß.»Er ist ein Lump!«sagt Frau Beckmann.»Und unverdient ist wahr.«
Karl regt sich.»Klara, du bist doch mein Leben!«heult er dumpf aus den blutigen Bettlaken.
»Ich bin dein Bankkonto, du kalter Stein!«Frau Beckmann wendet sich mir zu.»Und wie war es mit der halbtoten Ziege vom „Hohenzollern“?«
Ich winke ab.»Es ist zu nichts gekommen! Ich habe mich geekelt.«
»Das hätte ich Ihnen im voraus sagen können!«erklärte sie tief befriedigt.
Der Kampf ist entschieden. Wir sind beim Rückzugsgeplänkel. Karl verspricht Klara einen seegrünen Kimono mit Lotosblumen und Bettschuhe mit Schwanenflaum. Dann geht er, kaltes Wasser in die Nase hochzuziehen, und Frau Beckmann erhebt sich.»Wie hoch ist die Wette?«fragt sie.
»Hoch«, erwidere ich.»Billionen.«
»Karl!«ruft sie.»Beteilige Herrn Bodmer mit 250 Milliarden.«
»Selbstverständlich, Klara!«
Wir schreiten die Treppe hinunter. Unten sitzt der Seehund, bewacht von den Freunden Karls. Wir erfahren, daß er versucht hat zu schwindeln, während wir fort waren, aber Karls Saufbrüder haben ihm den Hammer rechtzeitig entrissen. Frau Beckmann lächelt verächtlich, und dreißig Sekunden später liegt der Nagel auf dem Fußboden. Majestätisch entwandelt sie, von den Klängen des»Alpenglühens«geleitet.
»Ein Kamerad ist ein Kamerad«, sagt Karl Brill später gerührt zu mir.
»Ehrensache! Aber wie war das mit der Kassiererin?«
»Was soll man machen?«erwidert Karl.»Sie wissen, wie einem manchmal abends zumute ist! Aber daß das Luder auch reden muß! Ich werde den Leuten meine Kundschaft entziehen. Sie aber, lieber Freund – wählen Sie, was Sie wollen!«Er zeigt auf die Lederstücke.»Ein Paar Maßschuhe erster Qualität als Geschenk – was Sie wollen: Boxcalf schwarz, braun, gelb, Lack, Wildleder – ich werde sie selbst anfertigen -«
»Lack«, sage ich.
Ich komme nach Hause und sehe im Hof eine dunkle Gestalt. Es ist tatsächlich der alte Knopf, der gerade vor mir eingetroffen ist und sich, als wäre er nicht schon toterklärt, bereit macht, den Obelisken zu schänden.»Herr Feldwebel«, sage ich und nehme ihn am Arm.»Sie haben für Ihre kindischen Äußerungen jetzt Ihren eigenen Grabstein. Benützen Sie den!«
Ich führe ihn zu dem Hügelstein, den er gekauft hat, und warte vor der Haustür, damit er nicht noch den Obelisken benutzt.
Knopf starrt mich an.»Meinen eigenen Stein? Sind Sie verrückt. Was ist er jetzt wert?«
»Nach dem Dollarkurs von heute abend neun Milliarden?«
»Und daran soll ich pissen?«
Knopfs Augen irren ein paar Sekunden umher – dann wankt er knurrend ins Haus. Was niemand zuwege gebracht hat, hat der schlichte Begriff des Eigentums erreicht! Der Feldwebel benützt seine eigene Toilette. Da komme noch einer mit Kommunismus! Eigentum gibt Sinn für Ordnung!