Читаем Der wandernde Wald полностью

Coar brauchte nur wenige Minuten, um mit Dels Hilfe an der senkrechten Wand emporzusteigen und den Stollen zu erreichen, aber Skar und den anderen erschien es, als vergingen Stunden, bis Del sie endlich an den Handgelenken ergreifen und mit einem letzten Ruck zu sich heraufziehen konnte.

Das Licht über ihnen begann zu flackern. Für einen Moment hörten sie gedämpfte Stimmen, ohne die Worte zu verstehen, dann fiel das Seil ein zweites Mal zu ihnen herab und pendelte lose an der Wand.

»Skar – jetzt du.«

Skar griff nach dem dünnen Lederriemen, zögerte aber noch einen Moment. »Du solltest dich einen Augenblick ausruhen!« rief er hinauf. »Ich bin schwerer als Coar, weißt du.«

»Hör auf, blöd rumzuquatschen, und komm endlich!« brüllte Del. Diesmal war die Angst in seiner Stimme nicht mehr zu überhören. Skar zog das Seil straff, stemmte den Fuß in das lockere Erdreich der Wand und begann rasch und sicher hinaufzusteigen. Das Seil zitterte in seinen Händen. Er wußte, daß sein Gewicht und die grausamen Rucke Del halbwegs die Arme aus den Gelenken reißen mußten. Trotzdem stieg er so schnell wie möglich weiter. Auch Dels Kräften waren Grenzen gesetzt, und Coar würde ihm kaum viel helfen können.

Er brauchte nur wenig mehr als eine Minute, um die fünfzehn Meter hinaufzusteigen und den Stolleneingang zu erreichen. Dels Hand erschien über der zerbröckelten Kante und tastete nach seinen Fingern. Skar ergriff sie, zog sich mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung hinauf und blieb keuchend auf Händen und Knien hocken. Neben ihm brach Del mit einem wimmernden Schmerzlaut zusammen. Sein Körper glänzte vor Schweiß, und die dünne rote Narbe an seiner Schulter schien wild im Rhythmus seines Herzschlages zu pulsieren. Seine Hände waren blutig, wo der dünne Lederriemen eingeschnitten hatte. Er versuchte etwas zu sagen, bekam aber nur ein schmerzhaftes Keuchen heraus.

Skar blieb sekundenlang reglos hocken. Seine überanstrengten Muskeln schrien vor Schmerz, und vor seinen Augen flimmerten rote und grüne Punkte. Der Gang schien für einen Moment zu verschwimmen, wand und bog sich auf unmögliche Weise und kippte dann um. Erneut fühlte sich Skar an seinen sonderbaren Traum erinnert, und wieder hatte er das Gefühl, dies alles schon einmal erlebt zu haben, schon einmal hiergewesen zu sein.

»Was . . . ist passiert?« fragte er schweratmend.

Del stemmte sich mühsam hoch, fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und deutete wortlos hinter sich. »Vornash«, stieß er hervor. »Er liegt dort hinten. Sieh selbst.«

Skar stand auf und ging schwankend in die Richtung, in die Del gewiesen hatte. Coar hockte zusammengekauert neben einem verkrümmten, reglosen Körper. Ihre Haltung erschien ihm unnatürlich und steif, als wäre sie mitten in der Bewegung erstarrt.

Der Mann vor ihr war tot, ebenso tot wie Horum, den sie unten in der Höhle gefunden hatten. Aber er war keinem Hoger zum Opfer gefallen, und auch keiner anderen Alptraumbestie, die vielleicht in diesem Reich der Dunkelheit und des Schweigens lauern mochte.

Jemand hatte ihm die Kehle von einem Ohr zum anderen aufgeschlitzt. Seshar«, murmelte Bernec, »ich bin sicher, daß Seshar dahintersteckt. Er, Mergell oder ein anderer dieser Speichellecker.«

Er war der letzte gewesen, der vom Grund der Höhle hinaufgestiegen war, und nun war er der erste, der das betäubte Schweigen, das sich wie ein Hauch klammer Angst über der Gruppe ausgebreitet hatte, brach. Er beugte sich vor, drückte dem Toten mit einer fast zärtlichen Bewegung die Augen zu und stand schwerfällig auf. Die Männer hatten die restlichen Fackeln entzündet, und der niedrige Stollen war auf eine Länge von dreißig, vierzig Schritt beinahe taghell erleuchtet. Skar sah es mit gemischten Gefühlen. Die Fackeln brannten rasch herunter, und sie hatten keinen sehr großen Vorrat davon mitgenommen. Aber er verstand die Männer nur zu gut. Mehr als alles andere war die Dunkelheit ihr Feind; eine Finsternis, die ganz anders zu sein schien als jene, die sie bisher kennengelernt hatten. Es war eine Dunkelheit, die ihn erneut an seinen bizarren Traum erinnerte, die wie die Leere auf jener gläsernen Ebene nicht bloß die Abwesenheit von Licht, sondern vielmehr die Anwesenheit von etwas anderem, Bösen zu bedeuten schien.

»Sie könnten sich gegenseitig getötet haben«, murmelt Del, aber er schien selbst zu spüren, was er für einen Unsinn redete. »Du hast keinen Beweis, daß . . .«

Bernec fuhr mit einer abrupten Bewegung herum. »Keinen Beweis?« schrie er.

»Sind zwei tote Männer nicht Beweis genug? Keiner, der je diese Höhlen betreten hat, ist zurückgekommen, Del! Keiner! Bisher haben wir geglaubt, daß die Hoger jeden Eindringling getötet hätten, aber ich habe noch keinen zu Gesicht bekommen, seit wir hier herabgestiegen sind!«

»Trotzdem beweist das nichts«, beharrte Del.

»Und wer soll es sonst gewesen sein?« schnappte Bernec. »Vielleicht ein Volk von kleinen blinden Männchen, das in diesen Höhlen lebt und Pilze züchtet, wenn es nicht gerade neugierige Eindringlinge umbringt, wie?«

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