»Was . . . ist passiert?« keuchte Skar.
Bernec zuckte die Achseln, trat zurück und hob die Fackel hoch über den Kopf. Aber der Lichtschein reichte nicht bis zum Höhleneingang hinauf, sondern verlor sich irgendwo auf halber Höhe.
»Er muß abgestürzt sein«, murmelte Del. Er kniete neben ihm nieder, untersuchte ihn flüchtig und drehte ihn vorsichtig herum. »Kein Verletzungen«, stellte er fest.
»jedenfalls keine, die nicht vom Sturz stammen könnten.«
Bernec schwenkte die Fackel ein paarmal hin und her, legte den Kopf in den Nacken und formte mit den Händen einen Trichter vor dem Mund. »Heda!« schrie er. »Vornash! Melde dich! Wir sind zurück!«
Aber die einzige Antwort war das verzerrte Echo seiner eigenen Stimme. Er rief noch einmal, wartete sekundenlang auf eine Reaktion und schüttelte den Kopf.
»Sinnlos«, sagte er. »Da oben ist niemand mehr.«
»Du glaubst, er ist auch tot?« fragte Del.
»Tot oder geflohen. Irgend etwas ist passiert. Horum ist nicht von selbst abgestürzt. Ich kenne ihn. Er ist ein vorsichtiger Mann. jemand hat ihn gestoßen.«
»Die Hoger?«
»Nein. Hoger schlagen ihre Beute und nehmen sie mit oder verzehren sie an Ort und Stelle, aber sie töten nicht aus reiner Mordlust und lassen das Opfer dann liegen.«
»Das mag für Went gelten«, gab Skar zu bedenken. »Aber wir sind hier in ihrem Gebiet, vergiß das nicht. Vielleicht greifen sie alles an, was sich hier hereinwagt.«
Bernec schüttelte entschieden den Kopf. »Nein«, beharrte er. »Du kennst die Wunden, die Hogerkrallen und –Schnäbel schlagen. Was immer Horum getötet hat
- es war etwas anderes.«
»Nicht unbedingt. Er könnte das Gleichgewicht verloren und abgerutscht sein.«
»Er könnte . . .«, mischte sich Del ein. »Es interessiert mich ehrlich gesagt im Moment wenig, was ihn umgebracht haben
»Du bist zu schwer«, sagte Coar. Sie schlug ihren Mantel zurück, schob Del zur Seite und versuchte ebenfalls, an der Wand emporzusteigen. Aber obwohl sie wahrscheinlich nicht einmal halb soviel wog wie der junge Satai, gelang es ihr ebensowenig.
»Es hat keinen Sinn«, sagte Del. »Wir müssen einen anderen Weg suchen.« Er drehte sich einmal um seine Achse und blinzelte zu der unsichtbaren Decke über ihren Köpfen empor, als könne er die Dunkelheit mit Blicken durchdringen.
»Dieses Rattenloch muß noch mehr Ausgänge haben.« Er zögerte einen Moment und deutete dann mit einer Kopfbewegung auf das schwarze Gewebe. »Was ist mit dem Zeug? Man müßte daran emporklettern können. Es sieht stabil genug aus, das Gewicht eines Mannes zu tragen.« Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern trat entschlossen auf einen der armdicken schwarzen Stränge zu und rüttelte daran.
»Fest ist es jedenfalls«, murmelte er.
»Das gefällt mir nicht«, sagte Bernec.
Del lachte kurz und hart auf. »Mir auch nicht. Aber hast du vielleicht eine bessere Idee, wie wir hier herauskommen?«
»Es muß Hunderte von Gängen geben. Der Stollen, den wir entdeckt haben, war sicher nicht der einzige.«
»Natürlich«, antwortete Del ernsthaft. »Wahrscheinlich hast du recht, und es gibt sogar Tausende von Stollen. Aber ich habe keine Lust, sie der Reihe nach zu erkunden. Das Zeug hier«, fuhr er mit einer Geste auf das schwarze Gewebe fort,
»führt auf zwei oder drei Meter an den Stollen heran. Wenn ich hoch genug komme, kann ich springen.«
»Und wenn du es nicht schaffst?«
»Dann fängst du mich auf«, grinste Del. Er rüttelte noch einmal prüfend an dem Strang, trat dann zurück und begann mit raschen Bewegungen, Harnisch und Stiefel auszuziehen. »Das Seil«, verlangte er. Skar bückte sich und gab es ihm. Del wickelte die Lederschnur um seinen Oberkörper, verknotete das Ende sorgfältig und streckte die Hand nach einer Fackel aus. »Wenn ich oben bin«, sagte er, »dann kommt als erstes der leichteste Mann. Zu zweit können wir die anderen dann leicht heraufziehen.« Er schob das Ende der Fackel unter die Lederschnur, die seinen Oberkörper umgab, legte die Hände auf den schwarzen Strang und begann mit sicheren Bewegungen nach oben zu steigen. Die Flammen leckten kaum eine Handbreit neben seinem Gesicht in die Höhe, aber die Hitze schien ihm nichts auszumachen.