Die Schwester zog nach Omsk, der Bruder wurde in Lemberg sesshaft, und Anna Iossifowna siedelte nach Moskau um. Dort lief sie noch einem Antisemiten – dem Staatsanwalt des Gebiets Moskau – in die Arme. Bei der Arbeitssuche in Moskau wurde sie von ihrer ehemaligen Chefin – Faina Jakowlewna Fajbischewskaja, der Leiterin des Referats Minderjährige der republikanischen Staatsanwaltschaft – protegiert. Diese äußerst intelligente ältere Frau rief den Staatsanwalt des Gebiets Moskau an und schlug die Kandidatur von Anna vor. «Wie heißt sie mit Nachnamen?», fragte der Herr am anderen Ende der Leitung. «Resnik» (dieser Nachname lässt aber nicht auf die Herkunft seiner Trägerin schließen). Dann fragt der Staatsanwalt: «Wie lautet ihr Vor– und Vatersname?» Frau Fajbischewskaja guckte auf ihre Protegée und meinte mit einem Lächeln: «Sehen Sie, ich kenne nur die Initialen davon».
Und er brauchte dringend Personal! Das war eine Kärrnerarbeit schlechthin – Staatsanwältin der Straf– und Gerichtsabteilung. Sie musste vor dem Gebietsgericht Gutachten in allen Sachen erstatten, aber auch in die Staatsanwaltschaft kommen und dort Berichte erstatten – und dabei absolut in allen Sachen, über die das Kassationsgericht verhandelte!
Kurz und gut arbeitete Anna Iossifowna dort rund ein Jahr lang, ging in Karenz, brachte einen Sohn zur Welt und ging nie wieder dorthin zurück. Nach zwei Jahren trat sie ins Moskauer Rechtsanwaltskollegium ein. Von 1948 bis 1996 – fast 50 Jahre lang! – war sie in diesem Kollegium tätig, und zwar immer in derselben Beratungsstelle. Sie führte sowohl Straf-, als auch Zivilsachen und wurde mehrmals bis zur stellvertretenden Leiterin befördert. Nahezu 30 Jahre lang war sie eines der «Arbeitstiere» im Kollegium. Die Gesamtdauer ihrer Berufstätigkeit beträgt ca. 60 Jahre!
Freiburg
Es wurde aber Zeit auszuwandern. Sie fuhren am 22. Mai 1996 weg, und noch am 16. Mai wurde das Urteil in einer der von Anna Iossifowna geführten Sachen verkündet! Sie war damals knapp 80 Jahre alt!
Zuerst lebte die Familie in Freiburg, jetzt sind sie in München sesshaft.
Psychologisch war es sehr schwierig, nach allen Verlusten (Mutter, fast alle Verwandten) nach Deutschland zu kommen. Aber die Art und Weise, wie die Deutschen die Juden aus der ehemaligen UdSSR empfingen, imponiert ihr sehr – genauso wie die Haltung der Deutschen zum Holocaust. Während der in Deutschland verbrachten Zeit stieß sie nie auf den Antisemitismus.
Der Enkelsohn und die Enkeltochter absolvierten Unis in der BRD, die beiden sind promovierte Wissenschaftler und begabte Menschen. Obwohl der Sohn in Moskau blieb, besucht er sie häufig. Er ist Verleger und kommt daher häufig zur Frankfurter Buchmesse.
2012 schrieb Anna Iossifowna ein Buch über ihr Leben – nicht für jedermann, sondern für den nahen Kreis, vor allem für ihre Familie.
Am 13. Februar 2016 feierte sie ihren 99. Geburtstag!
БЕЙЛЯ МЕНДЕЛЕЕВНА И МОРДЕХАЙ ПИНХАСОВИЧ ПОЛЯНЫ:
МАРК ПАЛЫЧ И БЕЛЛА МАРКОВНА
Расскажу немного о тех, кого знал ближе всех – о своих родителях. Каждый из них прожил свою долгую – без малого по 90 лет – жизнь, из них около 60, или две трети, они прожили вместе. Я не стану здесь углубляться в их психологию или душевные порывы, одной внешней канвы будет для этого очерка более чем достаточно.
Но начну с имен. Все привычно называли их по-европейски – Белла Марковна, Марк Павлович (Марк Палыч). Но их коренные, полученные при рождении имена – были другими, еврейскими: Бейля Менделеевна и Мордехай Пинхасович. Советский государственный антисемитизм давил на них, отрывая от корней и понуждая маскировать свое еврейство, заставил вносить поправки не только в бытование их имен, но и, как в случае отца, в паспорт. Многие шли еще дальше – и меняли в паспорте даже свою фамилию, не говоря о национальности.
Отец
Отец родился из них двоих первым: 6 февраля 1922 года – в Москве, куда его отец, мой дедушка, перебрался еще в 1915 году, воспользовавшись фактическим демонтажем Черты осёдлости. Он работал служащим в банке и обладал таким почерком, про который, наверное, и говорят с придыханием: каллиграфический (почерк, увы, по наследству не передается). Родом же дед был из Паневежиса, а его жена, моя бабушка Эмма, из местечка Долгиново в Белоруссии, где ее дед – Эйдельман – был известным раввином.
Жили они в коммуналке на последнем этаже огромного Бахрушинского дома на Болотной площади: окна смотрели прямо на сквер, за которым в 1930-е годы появился угрюмый силуэт «Дома на набережной», где проживала советская партийная элита. Учился он в школе № 19 на берегу Москва-реки, а его младший брат Ефим, родившийся на 4 года позже, в школе № 12 за каналом, вблизи начала Большой Полянки.