»Ein solches Versehen passiert leicht«, sagte Dumbledore sanft.»Es ist sicher nichts Neues für dich, aber du siehst James verblüffend ähnlich. Nur deine Augen… die Augen hast du von deiner Mutter.«
Harry schüttelte den Kopf
»Das war dumm von mir, zu denken, es wäre mein Dad«, murmelte er.»Ich weiß doch, daß er tot ist.«
»Glaubst du, die Toten, die wir liebten, verlassen uns je ganz? Glaubst du, es ist Zufall, daß wir uns in der größten Not am deutlichsten an sie erinnern? Du weißt, er lebt in dir weiter, Harry, und zeigt sich am deutlichsten, wenn du fest an ihn denkst. Wie sonst konntest du gerade diesen Patronus erschaffen? Er trat letzte Nacht wieder in dein Leben.«
Harry brauchte eine Weile, um Dumbledores Worte zu begreifen.
»Sirius hat mir letzte Nacht erzählt, wie sie Animagi wurden«, sagte Dumbledore lächelnd.»Eine ungeheure Leistung – und nicht zuletzt, daß sie es vor mir geheim gehalten haben. Und dann fiel mir ein, welch ungewöhnliche Gestalt dein Patronus annahm, als er Mr Malfoy beim Quidditch-Spiel gegen Ravenclaw so zusetzte. Weißt du, Harry, in gewisser Weise hast du deinen Vater letzte Nacht wieder gesehen… du hast ihn in dir selbst gefunden.«
Dumbledore ging hinaus und überließ Harry seinen arg verwirrten Gedanken.
Keiner in Hogwarts kannte jetzt die Wahrheit über das Geschehen in der Nacht, als Sirius, Seidenschnabel und Pettigrew verschwanden, außer Harry, Ron, Hermine und Dumbledore. Das Schuljahr ging nun rasch dem Ende zu und Harry hörte die unterschiedlichsten Theorien über das, was wirklich geschehen war. Doch keine kam der Wahrheit nahe.
Malfoy war wütend wegen Seidenschnabel. Er war überzeugt, Hagrid sei es irgendwie gelungen, den Hippogreif in Sicherheit zu bringen, und er schien außer sich vor Zorn, daß ein Wildhüter ihm und seinem Vater ein Schnippchen geschlagen hatte. Percy Weasley unterdessen hatte einiges zur Flucht von Sirius zu sagen.
»Wenn ich es schaffe, ins Ministerium zu kommen, werde ich denen mal erklären, wie man in der Zaubererwelt Recht und Ordnung durchsetzt!«, erklärte er dem einzigen Menschen, der zuhören wollte – seiner Freundin Penelope.
Das Wetter war herrlich, alle waren bestens gelaunt, Harry wußte, daß sie das fast Unmögliche geschafft und Sirius zur Freiheit verholfen hatten – und doch hatte er dem Ende eines Schuljahres noch nie so niedergeschlagen entgegengesehen.
Offensichtlich war er nicht der Einzige, der es schade fand, daß Professor Lupin gegangen war. Alle, die bei ihm Verteidigung gegen die dunklen Künste gehabt hatten, waren über seine Kündigung bestürzt.
»Ich frag mich, wen sie uns nächstes Jahr vorsetzen«, sagte Seamus Finnigan mit düsterer Miene.
»Vielleicht einen Vampir«, meinte Dean Thomas hoffnungsvoll.
Nicht allein der Abschied von Professor Lupin bedrückte Harry. Ständig mußte er an Professor Trelawneys Vorhersage denken. Er fragte sich immer wieder, wo Pettigrew jetzt wohl Steckte, ob er bereits Zuflucht bei Voldemort gefunden hatte. Doch was Harry die Laune besonders vermieste, war die Aussicht, zu den Dursleys zurückzukehren. Gut eine halbe Stunde lang, eine herrliche halbe Stunde lang hatte er geglaubt, er würde von nun an bei Sirius leben… beim besten Freund seiner Eltern… das wäre fast so gut gewesen, wie seinen Vater zurückzubekommen. Keine Nachricht von Sirius war natürlich eine gute Nachricht, denn das hieß, er hatte sich verstecken können. Und doch war Harry einfach elend zumute, wenn er an das Zuhause dachte, das er hätte haben können.
Am letzten Schultag bekamen sie die Prüfungsergebnisse. Harry, Ron und Hermine hatten es in jedem Fach geschafft. Harry war verblüfft, daß er in Zaubertränke nicht durchgefallen war. Er hatte den dunklen Verdacht, daß Dumbledore eingegriffen und Snape daran gehindert hatte, ihn absichtlich durchrasseln zu lassen. Wie Snape sich ihm gegenüber in der letzten Woche verhalten hatte, war äußerst beunruhigend. Harry hätte es nicht für möglich gehalten, daß Snape sich noch mehr in seinen Haß gegen ihn hineinsteigern würde, doch genauso war es. Jedes Mal, wenn er Harry ansah, zuckte es Unheil verkündend um seinen schmalen Mund und er ließ die Fingerknöchel knacken, als ob er danach gierte, die Finger ganz fest um Harrys Hals zu legen.
Percy hatte seinen UTZ geschafft, Fred und George um Haaresbreite ihren ersten ZAG. Die Gryffindors unterdessen hatten, vor allem dank der Aufsehen erregenden Leistung im Quidditch-Cup, das dritte Jahr in Folge die Hausmeisterschaft gewonnen. So war die Halle beim Abschlußfest ganz in Scharlachrot und Gold geschmückt und am Tisch der Gryffindors ging es bei der Feier natürlich am lautesten zu. Selbst Harry schaffte es, die Rückreise zu den Dursleys, die am nächsten Tag anstand, zu vergessen, und er feierte, redete und lachte mit den andern.
Als der Hogwarts-Express am nächsten Morgen aus dem Bahnhof fuhr, konnte Hermine mit einer erstaunlichen Neuigkeit für Harry und Ron aufwarten.