Harry packte Ron von hinten am Umhang, damit der sich nicht auf Malfoy stürzte.
»Überlaß ihn mir«, zischte er Ron ins Ohr.
Die Gelegenheit war einfach zu gut. Leise schlich sich Harry hinter Malfoy, Crabbe und Goyle, bückte sich und grub eine große Hand voll Schlamm aus dem Fußweg.
»Wir reden gerade über deinen Freund Hagrid«, sagte Malfoy zu Ron.»Was er wohl dem Ausschuß für die Beseitigung gefährlicher Geschöpfe erzählt? Glaubst du, er fängt an zu heulen, wenn sie seinem Hippogreif -«
Klatsch.
Malfoys Kopf ruckte nach vorn, als ihn der Schlamm von hinten traf; an seinem silberblonden Haar tropfte der Modder herunter.
»Was zum -?«
Ron bekam wabblige Knie vor Lachen und mußte sich am Zaun festhalten. Malfoy, Crabbe und Goyle torkelten im Kreis herum und stierten fassungslos in die Gegend. Mühselig wischte sich Malfoy den Dreck aus den Haaren.
»Was war das? Wer war das?«
»Spukt ganz schön hier oben«, sagte Ron, als würde er übers Wetter reden.
Crabbe und Goyle bekamen es offenbar mit der Angst zu tun. Gegen Gespenster konnten sie mit ihren überquellenden Muskelpaketen nichts ausrichten. Malfoy stierte mit irrem Blick in die menschenleere Gegend.
Harry schlich den Fußweg entlang bis zu einer besonders dreckigen Pfütze und griff sich beherzt eine Hand voll übel riechenden grünlichen Schlicks.
Flatsch.
Diesmal bekamen Crabbe und Goyle ihren Anteil. Goyle tapste wütend umher und wischte sich verzweifelt den Schlick aus den kleinen dumpfen Augen.
»Es kommt von da drüben!«, sagte Malfoy und zeigte auf eine Stelle etwa zwei Meter links von Harry, während er sich immer noch das Gesicht wischte.
Crabbe stolperte los, die langen Arme ausgestreckt wie ein Zombie. Harry duckte sich seitlich weg, hob einen Ast vom Boden und schleuderte ihn auf Crabbes Rücken. Crabbe hob vor Schreck vom Boden ab und drehte eine Pirouette in der Luft; Harry krümmte sich vor stummem Lachen. Da Ron der Einzige war, den Crabbe sehen konnte, ging er auf ihn los, doch Harry stellte ihm ein Bein – und Crabbes riesiger Plattfuß verhedderte sich im Saum von Harrys Umhang. Harry spürte ein mächtiges Zerren, dann wurde der Tarnumhang von seinem Gesicht gerissen.
Für den Bruchteil einer Sekunde starrte ihn Malfoy an.
»AAAARH!«, brüllte er und deutete auf Harrys Kopf Dann machte er auf dem Absatz kehrt und rannte mit halsbrecherischer Geschwindigkeit den Hügel hinunter, Crabbe und Goyle auf den Fersen.
Harry zog sich den Umhang wieder über den Kopf, doch nun war es passiert.
»Harry!«, sagte Ron, stolperte in seine Richtung und starrte hoffnungslos auf die Stelle, wo Harry verschwunden war,»du haust besser ab! Wenn Malfoy das erzählt – du mußt zurück ins Schloß, aber schnell -«
»Bis später«, sagte Harry, und ohne ein weiteres Wort zu verlieren rannte er den Fußweg hinunter nach Hogsmeade.
Würde Malfoy seinen eigenen Augen trauen? Würde irgend jemand Malfoy Glauben schenken? Keiner wußte von dem Tarnumhang – keiner außer Dumbledore. Harry drehte sich der Magen – wenn Malfoy die Geschichte erzählte, würde Dumbledore genau wissen, was passiert war -
Zurück in den Honigtopf, die Kellertreppe hinunter, über den steinernen Fußboden, durch die Falltür – Harry zog den Umhang aus, klemmte ihn unter den Arm und rannte ohne nachzudenken den Geheimgang entlang – Malfoy würde vor ihm zurück sein – wie lange würde er brauchen, um einen Lehrer zu finden? Er keuchte und spürte ein heftiges Stechen in der Seite, doch er rannte atemlos weiter, bis er die steinerne Rutsche erreichte. Er würde den Umhang hier lassen müssen, er wäre ein zu großer Verlust, falls Malfoy ihn bei einem Lehrer anschwärzen würde – er versteckte ihn in einer dunklen Ecke und kletterte so schnell er konnte die Rutsche hoch. Immer wieder glitten seine schwitzigen Hände an den Seiten ab. Er gelangte ins Innere des Hexenbuckels, tippte mit dem Zauberstab dagegen, streckte den Kopf ins Freie und kletterte hinaus; der Buckel schloß sich, und gerade als Harry hinter der Statue hervorgesprungen war, hörte er schnelle Schritte näher kommen.
Es war Snape. Rasch und mit wehendem schwarzem Umhang ging er auf Harry zu und baute sich vor ihm auf
»So«, sagte er.
Unterdrückte Siegesgewißheit spiegelte sich in seinem Gesicht. Harry mühte sich wie ein Unschuldslamm auszusehen, doch er war sich bewußt, daß sein Gesicht verschwitzt war und seine Hände voller Erde klebten, und er steckte sie rasch in die Taschen.
»Mitkommen, Potter«, sagte Snape.
Harry folgte ihm die Treppe hinunter. Unterwegs versuchte er die Hände an der Innenseite seines Umhangs sauber zu wischen, ohne daß Snape es bemerkte. Sie gingen die Treppen zu den Kerkern hinunter und betraten Snapes Büro.
Hier war Harry schon einmal gewesen, und auch damals hatte er in einem ziemlichen Schlamassel gesteckt. Seither hatte Snape noch ein paar weitere fürchterliche Schleimungetüme erworben, allesamt in Glasgefäßen auf Regalen hinter seinem Schreibtisch ausgestellt. Sie glitzerten im Licht des Feuers und hellten die bedrohliche Stimmung nicht gerade auf.
»Setz dich«, sagte Snape.