Links und rechts die Hühner aufscheuchend, kam Mrs Weasley über den Hof marschiert. Und für eine kleine, kugelrunde Frau mit freundlichem Gesicht sah sie einem Säbelzahntiger erstaunlich ähnlich.
»Ah«, sagte Fred.
»Das darf nicht wahr sein«, sagte George.
Mrs Weasley machte vor ihnen Halt, stemmte die Hände in die Hüften und sah von einem schuldbewussten Gesicht zum nächsten. Sie trug eine geblümte Schürze, aus deren Tasche ein Zauberstab ragte.
»So«, sagte sie.
»Morgen, Mum«, sagte George mit einer Stimme, von der er offenbar glaubte, sie klinge unbekümmert und einschmeichelnd.
»Könnt ihr euch vorstellen, was für Sorgen ich mir gemacht habe«, zischte Mrs Weasley in giftigem Flüsterton.
»Tut uns Leid, Mum, aber wir mußten -«
Ihre drei Söhne waren Mrs Weasley ein ganzes Stück über den Kopf gewachsen, aber als ihr Wutausbruch über sie hereinbrach, schrumpften sie in sich zusammen.
»Die Betten leer! Keine Nachricht! Der Wagen weg, vielleicht gegen einen Baum gefahren, ich werd fast verrückt vor Sorgen, daran habt ihr wohl nicht gedacht?- Meiner Lebtage ist mir das noch nicht – wartet nur, bis euer Vater nach Hause kommt, nie haben uns Bill oder Charlie oder Percy solchen Kummer gemacht
»Perfekter Percy«, murmelte Fred.
»VON PERCY KÖNNTET IHR EUCH GERN EINE SCHEIBE ABSCHNEIDEN!«, schrie Mrs Weasley und bohrte ihren Zeigefinger in Freds Brust.»Ihr hättet sterben können, man hätte euch sehen können, euer Vater hätte entlassen werden können -«
Stundenlang schien es so weiterzugehen. Mrs Weasley hatte sich heiser geschrien, noch bevor sie sich Harry zuwandte, der vor ihr zurückwich.
»Ich freue mich sehr, dich zu sehen, Harry, mein Lieber«, sagte sie.»Komm doch rein zum Frühstück.«
Sie wandte sich um und ging zurück ins Haus, und nach einem nervösen Blick auf Ron, der ihm aufmunternd zunickte, folgte Harry ihr.
Die Küche war klein und ziemlich voll gestopft. In der Mitte standen ein abgenutzter Holztisch und Stühle; Harry setzte sich auf eine Stuhlkante und sah sich um. Noch nie war er in einem Zaubererhaus gewesen.
Die Uhr an der Wand gegenüber hatte nur einen Zeiger und überhaupt keine Ziffern. Am Rand entlang standen Dinge wie»Zeit für Tee«,»Zeit zum Hühnerfüttern«und»Du kommst zu spät«. Der Kaminsims war drei Reihen tief voll gepackt mit Büchern: So zaubern Sie Ihren eigenen Käse, lautete ein Titel, oder Magie beim Backen und Festessen in einer Minute – Das ist Hexerei!. Und wenn Harry seinen Ohren trauen durfte, hatte eine Stimme aus dem alten Radio über der Spüle gerade die»Hexenstunde«angekündigt,»mit der bezaubernden singenden Hexe Celestina Warbeck«.
Mrs Weasley werkelte in der Küche herum und bereitete eher planlos das Frühstück zu, wobei sie ihren Söhnen böse Blicke zu und Würstchen in die Pfanne warf, Hin und wieder murmelte sie etwas wie:»Weiß nicht, was ihr euch eigentlich dabei gedacht habt«, und»Das hätte ich nie von euch erwartet«.
»Dir mache ich keinen Vorwurf«, versicherte sie Harry und häufte acht oder neun Würstchen auf seinen Teller.»Arthur und ich haben uns genauso um dich Sorgen gemacht. Letzte Nacht noch haben wir uns gesagt, wir gehen hin und holen ihn persönlich, wenn er Ron bis Freitag nicht geantwortet hat. Aber hört mal«(jetzt schaufelte sie noch drei Spiegeleier auf Harrys Teller),»einen nicht zugelassenen Wagen übers halbe Land zu fliegen! Hinz und Kunz hätten euch sehen können -«
Lässig schnippte sie mit dem Zauberstab gegen das Geschirr in der Spüle, das sich, leise im Hintergrund klirrend, selber abwusch.
»Es war bewölkt, Mum!«, sagte Fred.
»Sprich nicht mit vollem Mund!«, fauchte Mrs Weasley.
»Sie haben ihn ausgehungert, Mum!«, sagte George.
»Das gilt auch für dich!«, sagte Mrs Weasley, doch mit leicht besänftigter Miene begann sie für Harry Brote zu schneiden und sie mit Butter zu bestreichen.
In diesem Augenblick wurden sie von einer kleinen rothaarigen Gestalt in einem langen Nachthemd abgelenkt, die in der Küche erschien, ein leises Quieken ertönen ließ und wieder hinaushüpfte.
»Ginny«, sagte Ron mit gedämpfter Stimme zu Harry.»Meine Schwester. Den ganzen Sommer schon redet sie von dir.«
»Tja, sie wird ein Autogramm von dir wollen, Harry«, grinste Fred, doch er fing den Blick seiner Mutter auf und machte sich stumm über seinen Teller her. Keiner sagte mehr ein Wort, bis alle vier Teller leer waren, was überraschend schnell ging.
»Mensch, bin ich müde«, gähnte Fred und legte endlich Messer und Gabel weg.»Ich glaub, ich geh ins Bett und -«
»Das wirst du nicht«, fuhr ihn Mrs Weasley an,»es ist dein Problem, daß du die ganze Nacht auf gewesen bist. Du wirst jetzt den Garten für mich entgnomen, die spielen mal wieder völlig verrückt -«
»Ach Mum -«
»Und ihr auch«" sagte sie mit wütendem Blick auf Ron und Fred.»Du kannst nach oben ins Bett, mein Lieber«, sagte sie zu Harry gewandt,»du hast sie ja nicht angestiftet, diesen verkorksten Wagen zu fliegen.«
Doch Harry, der sich hellwach fühlte, sagte rasch:»Ich helfe Ron, ich hab noch nie beim Entgnomen -«