Während ich noch darüber sinniere, ob Marc Carolin demnächst auch den Zugang zum Kühlschrank erschweren könnte – denn schließlich geht es da ums Futter! –, gibt Nina ein paar praktische Tipps, um das Kleiderschrank-Problem aus der Welt zu räumen.
»Vielleicht schmeißt du seine Sachen einfach heimlich weg oder spendest sie der Kleiderkammer, wenn er in der Praxis ist?«
Für meinen Geschmack ein etwas simpler Plan. Dass Marc das nicht merkt, halte ich für geradezu ausgeschlossen. Auch Carolin scheint nicht überzeugt.
»Also, das klingt doch etwas rabiat. Ich setze lieber erst einmal auf Freiwilligkeit. Marc hat versprochen, radikal aufzuräumen, bis ich wieder zu Hause bin.«
»Dann lass dir lieber ein bisschen Zeit. Musst du heute nochmal in die Werkstatt?«
»Wo ich gerade hier bin, schau ich mal kurz nach der Post. Ansonsten hatte ich mir die Tage für den Umzug eigentlich freigehalten.«
Wenn Carolin in die Werkstatt möchte, kann ich bestimmt noch ein Weilchen im Garten verbringen. Nicht, dass sich da nun fremde Hunde aus dem Park breitmachen, Stichwort Revierverteidigung. Direkt an den Garten hinterm Haus grenzt nämlich ein Park, und manchmal verirrt sich der ein oder andere Artgenosse auf die falsche Seite des Tors, das unseren Garten vom Park trennt. Da kann ich gleich mal nach dem Rechten sehen und Besuchern nötigenfalls freundlich, aber bestimmt, klarmachen, wer hier Herr im Haus beziehungsweise Hund im Garten ist. Außerdem schwirrt Herr Beck bei dem schönen Wetter bestimmt auch irgendwo durch die Gegend, und mich würde interessieren, wie er die letzten beiden Tage so verbracht hat. Mit Sicherheit ist ihm ohne mich entsetzlich langweilig.
Von der Werkstatt aus führt eine Terrassentür direkt in den Garten, es sind nur drei Stufen nach oben, schon sitzt man im Gras. Das ist natürlich enorm praktisch, denn manchmal arbeitet Carolin stundenlang an einer Geige und hat keine Zeit, mit mir spazieren zu gehen. Meist ist mir das ganz recht, denn ohne Frauchen durch den Park zu stromern ist eindeutig spannender, als an der Leine hinter ihr herzulaufen. Ich erschnüffele Kaninchen, jage Eichhörnchen oder Amseln – kurz: Ich bin ganz ich. Eigentlich ist das total verboten, und wenn Carolin mich dabei erwischt, schimpft sie. Aber als Dackel bin ich nun einmal ein Jagdhund – geboren für das große Abenteuer, nicht für das Leben auf der Etage.
Im Garten riecht es wie immer im Sommer: nach Gras, den großen Blumen im Beet und eben nach mir. Der Duft von Herrn Beck schwebt über dem Rasen, allerdings nur so schwach, dass er wohl schon länger nicht mehr hier war. Komisch, normalerweise ist Herr Beck im Sommer fast immer hier unterwegs. Ich muss spontan daran denken, wie wir uns kennengelernt haben. Dieses denkwürdige Ereignis fand nämlich genau vor dem großen Baum direkt am Haus statt. Kaum zu glauben, dass der Kater und ich uns bei unserem ersten Treffen fast geprügelt hätten. Er hatte mich beim Pinkeln beobachtet und sich über mein noch relativ wackeliges Beinchenheben lustig gemacht. Was natürlich eine Frechheit war. Dass ich ihm dann
Ich suche hinter dem großen Blumenbeet, auf der Wiese vor dem Zaun zum Park, beim Komposthaufen, laufe in den Vorgarten – selbst die Nische mit den Mülltonnen lasse ich nicht aus. Aber nirgends eine Spur von Herrn Beck, ich kann überhaupt keine Witterung aufnehmen. Betrübt schleiche ich zurück und trolle mich mit hängenden Öhrchen in die Werkstatt. Schade, ich hätte Beck so gerne von meinem neuen Zuhause berichtet.
»Nanu, Herkules, was ist los? Keine Lust mehr auf Garten ?«
Carolin hebt mich hoch und setzt mich auf den Tisch, vor dem sie gerade steht.
»Oder bekommst du Heimweh nach deinem alten Zuhause? Du guckst irgendwie so traurig. Aber mach dir nichts draus, ich fand es eben auch ein bisschen seltsam, in
Ich lege mich hin und lasse den Kopf auf meine Vorderläufe sinken. Tja, werden wir uns daran gewöhnen? Vermutlich schon, auch wenn es sich gerade anders anfühlt. Schließlich haben wir uns wirklich nicht verschlechtert. Marcs Wohnung ist viel größer als die von Carolin, es gibt ebenfalls einen tollen Garten und, auch nicht ganz unwichtig: Da im Erdgeschoss gleichzeitig Marcs Tierarztpraxis ist, fühle ich mich seinen Patienten gegenüber wie der Chefdackel. Es ist ja nun auch mein Haus, und all die anderen Hunde, Katzen, Meerschweinchen und was sonst noch so zu Marc gekarrt wird, sind eindeutig nur von mir geduldete Gäste. Ein sehr erhabenes Gefühl.