Fabian gedachte, als er den Richtsteig quer durch den Wald lief, dem kleinen wunderlichen Knirps, der vor ihm davongetrabt, doch wohl noch zuvorzukommen. Er hatte sich geirrt, denn aus dem Gebüsch heraustretend, gewahrte er ganz in der Ferne, wie noch ein anderer stattlicher Reiter sich zu dem Kleinen gesellte und wie nun beide in das Tor von Kerepes hineinritten. – «Hm!» sprach Fabian zu sich selbst, «ist der Nussknacker auf seinem großen Pferde auch schon vor mir angelangt, so komme ich doch noch zeitig genug zu dem Spektakel, den es geben wird bei seiner Ankunft. Ist das seltsame Ding wirklich ein Studiosus, so weiset man nach dem ’Geflügelten Ross’ und hält er dort an mit seinem gellenden Prr – Prr! – und wirft die Reitstiefel voran und sich selbst nach und tut, wenn die Bursche lachen, wild und trotzig – nun! dann ist das tolle Possenspiel fertig!»
Als Fabian nun die Stadt erreicht, glaubte er in den Straßen, auf dem Wege nach dem «Geflügelten Ross» lauter lachenden Gesichtern zu begegnen. Dem war aber nicht so. Alle Leute gingen ruhig und ernst vorüber. Ebenso ernsthaft spazierten auf dem Platz vor dem «Geflügelten Ross» mehrere Akademiker, die sich dort versammelt, miteinander sprechend, auf und nieder. Fabian war überzeugt, dass der Kleine wenigstens hier nicht angekommen sein müsse, da gewahrte er, einen Blick ins Tor des Gasthauses werfend, dass soeben das sehr kennbare Pferd des Kleinen nach dem Stall geführt wurde. Auf den ersten besten seiner Bekannten sprang er nun los und fragte, ob denn nicht ein ganz seltsamer wunderlicher Knirps herangetrabt sei. – Der, den Fabian fragte, wusste ebensowenig etwas davon als die übrigen, denen Fabian nun erzählte, was sich mit ihm und dem Däumling, der ein Student sein wollen, begeben. Alle lachten sehr, versicherten indessen, dass ein solches Ding, wie das, was er beschreibe, keineswegs angelangt. Wohl wären aber vor kaum zehn Minuten zwei sehr stattliche Reiter auf schönen Pferden im Gasthause zum «Geflügelten Ross» abgestiegen. «Saß der eine von ihnen auf dem Pferde, das eben nach dem Stall geführt wurde?» so fragte Fabian. «Allerdings,» erwiderte einer, «allerdings. Der, der auf jenem Pferde saß, war von etwas kleiner Statur, aber von zierlichem Körperbau, angenehmen Gesichtszügen und hatte die schönsten Lockenhaare, die man sehen kann. Dabei zeigte er sich als den vortrefflichsten Reiter, denn er schwang sich mit einer Behendigkeit, mit einem Anstande vom Pferde herab, wie der erste Stallmeister unseres Fürsten.» – «Und,» rief Fabian, «und verlor nicht die Reitstiefel und kugelte euch nicht vor die Füße?» – «Gott behüte,» erwiderten alle einstimmig, «Gott behüte! – was denkst du Bruder! solch ein tüchtiger Reiter wie der Kleine!» – Fabian wusste gar nicht, was er sagen sollte. Da kam Balthasar die Straße herab. Auf den stürzte Fabian los, zog ihn heran und erzählte, wie der kleine Knirps, der ihnen vor dem Tor begegnet und vom Pferde herabgefallen, hier eben angekommen sei und von allen für einen schönen Mann von zierlichem Gliederbau und für den vortreflfichsten Reiter gehalten werde. «Du siehst,» erwiderte Balthasar ernst und gelassen, «du siehst, lieber Bruder Fabian, dass nicht alle so wie du über unglückliche, von der Natur verwahrloste Menschen lieblos spottend herfallen.» – «Aber du mein Himmel,» fiel ihm Fabian ins Wort, «hier ist ja gar nicht von Spott und Lieblosigkeit die Rede, sondern nur davon, ob ein drei Fuß hohes Kerlein, der einem Rettich gar nicht unähnlich, ein schöner zierlicher Mann zu nennen?» – Balthasar musste, was Wuchs und Ansehen des kleinen Studenten betraf, Fabians Aussage bestätigen. Die andern versicherten, dass der kleine Reiter ein hübscher zierlicher Mann sei, wogegen Fabian und Balthasar fortwährend behaupteten, sie hätten nie einen scheußlicheren Däumling erblickt. Dabei blieb es, und alle gingen voll Verwunderung auseinander.