Als das Frühstück beendigt, riefen beide, der Fürst und der Minister: «Er ist ein englischer Mensch, dieser Geheime Spezialrat!» – «Du siehst,» sprach Fabian zu seinem Freunde Balthasar, «du siehst so fröhlich aus, deine Blicke leuchten in besonderen Feuer. – Du fühlst dich glücklich? – Ach, Balthasar, du träumst vielleicht einen schönen Traum, aber ich muss dich daraus erweckendes ist Freundes Pflicht!»
«Was hast du, was ist geschehen?» fragte Balthasar bestürzt.
«Ja,» fuhr Fabian fort, «ja! – ich muss es dir sagen! Fasse dich nur, mein Freund! – Bedenke, dass vielleicht kein Unfall in der Welt schmerzlicher trift und doch leichter zu verwinden ist, als eben dieser! – Candida»
«Um Gott,» schrie Balthasar entsetzt, «Candida! – was ist mit Candida? – ist sie hin – ist sie tot?»
«Ruhig,» sprach Fabian weiter, «ruhig, mein Freund! – nicht tot ist Candida, aber so gut als tot für dich! – Wisse, dass der kleine Zinnober Geheimer Spezialrat geworden und so gut als versprochen ist[65]
mit der schönen Candida, die, Gott weiß wie, in ihn ganz vernarrt sein soll.»Fabian glaubte, dass Baltasar nun losbrechen werde in ungestüme, verzweiflungsvolle Klagen und Verwünschungen. Statt dessen sprach er mit ruhigem Lächeln: «Ist es nichts weiter als das, so gibt es keinen Unfall, der mich betrüben könnte.»
«Du liebst Candida nicht mehr?» fragte Fabian voll Erstaunen.
«Ich liebe,» erwiderte Balthasar, «ich liebe das Himmelskind, das herrliche Mädchen mit aller Inbrunst, mit aller Schwärmerei, die nur in eines Jünglings Brust sich entzünden kann! Und ich weiß – ach ich weiß es, dass Candida mich wieder liebt, dass nur ein verruchter Zauber sie umstrickt hält, aber bald löse ich die Bande dieses Hexenwesens, bald vernichte ich den Unhold, der die Arme betört.»
Balthasar erzählte nun dem Freunde ausführlich von dem wunderbaren Mann, dem er in dem seltsamsten Fuhrwerk im Walde begegnet. Er schloss damit, dass, sowie aus dem Stockknopf des zauberischen Wesens ein Strahl in seine Brust gefunkelt, der feste Gedanken in ihm aufgegangen, dass Zinnober nichts sei als ein Hexenmännlein, dessen Macht jener Mann vernichten werde.
«Aber,» rief Fabian, als der Freund geendet, «aber Balthasar, wie kannst du nur auf solches tolles, wunderliches Zeug verfallen? – Der Mann, den du für einen Zauberer hältst, ist niemand anders als der Doktor Prosper Alpanus, der unfern der Stadt auf seinem Landhause wohnt. Wahr ist es, dass die wunderlichsten Gerüchte von ihm verbreitet werden, so dass man ihn beinahe für einen zweiten Cagliostro[66]
halten möchte; aber daran ist er selbst schuld. Er liebt es, sich in mystisches Dunkel zu hüllen, den Schein eines mit den tiefsten Geheimnissen der Natur vertrauten Mannes anzunehmen, der unbekannten Kräften gebietet, und dabei hat er die bizarrsten Einfälle. So ist zum Beispiel sein Fuhrwerk so seltsam beschaffen, dass ein Mensch, der von lebhafter feuriger Fantasie ist, wie du, mein Freund, wohl dahin gebracht werden kann, alles für eine Erscheinung aus irgendeinem tollen Märchen zu halten. Höre also! – Sein Kabriolett hat die Form einer Muschel und ist über und über versilbert, zwischen den Rädern ist eine Drehorgel angebracht, welche, sowie der Wagen fährt, von selbst spielt. Das, was du für einen Silberfasan hieltest, war gewiss sein kleiner weißgekleideter Jockey, so wie du gewiss die Blätter des ausgespreiteten Sonnenschirms für die Flügeldecken eines Goldkäfers hieltest. Seinen beiden weißen Pferdchen lässt er große Hörner anschrauben, damit es nur recht fabelhaft aussehn soll. Übrigens ist es richtig, dass der Doktor Alpanus ein schönes spanisches Rohr trägt mit einem herrlich funkelnden Kristall, der oben darauf sitzt als Knopf und von dessen wunderlicher Wirkung man viel Fabelhaftes erzählt oder vielmehr lügt. Den Strahl dieses Kristalls soll nämlich kaum ein Auge ertragen. Verhüllt ihn der Doktor mit einem dünnen Schleier und richtet man nun den festen Blick darauf, so soll das Bild der Person, das man in dem innersten Gedanken trägt, außerhalb wie in einem Hohlspiegel erscheinen.» «In der Tat,» fiel Balthasar dem Freunde ins Wort, «in der Tat? Erzählt man das? – Was spricht man denn wohl noch weiter von dem Herrn Doktor Prosper Alpanus?»«Ach,» erwiderte Fabian, «verlange doch nur nicht, dass ich von den tollen Fratzen und Possen viel reden soll. Du weißt ja, dass es noch bis jetzt abenteuerliche Leute gibt, die der gesunden Vernunft entgegen an alle sogenannte Wunder alberner Ammenmärchen glauben.»