Ich erbebte, denn wohl erkannte ich die Stimme! – Es war Miesmies! – Launisch spielte der Zufall mit mir, daß in dem Augenblick, als ich Miesmies ganz vergessen zu haben geglaubt, ich erfahren, was ich nicht ahnen können, ich in Liebe kommen mußte zu eignem Kinde! – Miesmies war in tiefer Trauer, ich wußte selbst nicht, was ich davon denken sollte.»Miesmies«, sprach ich sanft,»was führt Sie hieher, warum in Trauer und – o Gott! – jene Mädchen – Mina's Schwestern?«– Ich erfuhr das Seltsamste! – Mein gehässiger Nebenbuhler, der Schwarzgraugelbe, hatte sich gleich nachher, als er in jenem mörderischen Zweikampf meiner ritterlichen Tapferkeit erlegen, von Miesmies getrennt und war, als nur seine Wunden geheilt, fortgegangen niemand wußte wohin. Da warb Muzius um ihre Pfote, die sie ihm willig reichte, und es machte ihm Ehre und bewies sein Zartgefühl, daß er mir dies Verhältnis gänzlich verschwieg. So waren aber jene muntre naive Kätzchen nur meiner Mina Stiefschwestern!
«O Murr«, sprach Miesmies zärtlich, nachdem sie erzählt, wie sich das alles ergeben,»o Murr! ihr schöner Geist hat sich nur in dem Gefühl geirrt, das ihn überströmte. Es war die Liebe des zärtlichsten Vaters, nicht des verlangenden Liebhabers, die in Ihrer Brust erwachte, als Sie unsre Mina sahen.
Mir war bei dem ganzen Auftritt sehr peinlich zu Mute. Mina saß da, bleich und schön, wie der erste Schnee, der manchmal im Herbste die letzten Blumen küßt und gleich in bitteres Wasser zerfließen wird.
(Anmerkung des Herausgebers. Murr! – Murr! schon wieder ein Plagiat! – In» Peter Schlemihls wundersamer Geschichte «beschreibt der Held des Buches seine Geliebte, auch Mina geheißen, mit denselben Worten.)
Schweigend betrachtete ich beide, Mutter und Tochter, die letzte gefiel mir doch unendlich viel besser, und da bei unserm Geschlecht die nächsten verwandtschaftlichen Verhältnisse kein kanonisches Ehehindernis – Vielleicht verriet mich mein Blick, denn Miesmies schien meine innersten Gedanken zu durchschauen.»Barbar! was willst du beginnen?«– rief sie, indem sie schnell auf Mina lossprang und sie heftig umpfotend, an ihre Brust riß.»Wie? du kannst dies dich liebende Herz verschmähen und Verbrechen häufen auf Verbrechen!«Unerachtet ich nun gar nicht begriff, was für Ansprüche Miesmies geltend machen und welche Verbrechen sie mir vorwerfen konnte, so fand ich es, um den Jubel, in den sich das Trauerfest aufgelöst, nicht zu verstören doch geratener, gute Miene zu machen zu bösem Spiel. Ich versicherte daher der ganz aus sich selbst gekommenen Miesmies, daß bloß die unaussprechliche Ähnlichkeit Mina's mit ihr mich irre geführt und ich geglaubt habe, dasselbe Gefühl entflamme mein Inneres, das ich für sie, die noch immer schöne Miesmies, in mir trage. Miesmies trocknete alsbald ihre Tränen, setzte sich dicht zu mir und fing ein so vertrauliches Gespräch mit mir an, als sei nie etwas Böses unter uns vorgefallen. Hatte nun noch der junge Hinzmann die schöne Mina zum Tanz aufgefordert, so kann man denken, in welcher unangenehmen peinlichen Lage ich mich befand.
Ein Glück für mich war es, daß der Senior Puff endlich Miesmies aufzog zum Kehraus, da sie mir sonst noch allerlei seltsame Propositionen hätte machen können. Ich schlich leise leise aus dem Keller herauf und dachte:»Kommt Zeit, kommt Rat!«
Ich sehe dieses Trauerfest für den Wendepunkt an, in dem sich meine Lehrmonate schlossen und ich eintrat in einen anderen Kreis des Lebens.