«Coquin«, rief der Fürst,»mit hohen gekrönten Häuptern spricht man nicht von schönen Nanni's, doch! – fahr Er fort, mon fils.«—»Ja die schöne Nanni«, sprach der Leibjäger weiter,»ich hätt' ihr solchen dummen Verkehr gar nicht zugetraut. – Also weiter nichts als eine einfältige Liebschaft, dacht ich in meinem Sinn; aber es wollte mir gar nicht in den Kopf, daß nicht noch was anders dahinter stecken sollte. Ich blieb am Hause stehen. Da kam nach einer guten Weile die Frau Rätin zurück, und kaum war sie ins Haus getreten, als oben ein Fenster geöffnet wurde und mit unglaublicher Behendigkeit der fremde Mensch hinaussprang, gerade in die schönen Nelken- und Levkojenstöcke hinein, die dort vergattert stehen und die das liebe Fräulein Julia selbst so sorglich wartet. Der Gärtner lamentiert schrecklich; er ist mit den zerbrochenen Scherben draußen und wollte bei dem durchlauchtigsten Herrn selbst Klage führen. Ich habe ihn aber nicht hereingelassen, denn der Schlingel ist angesoffen schon am frühen Morgen.«—»Lebrecht, das scheint eine Imitation zu sein«, unterbrach der Fürst den.Leibjäger,»denn selbiges kommt schon in der Oper von Herrn Mozart ›Figaro's Hochzeit geheißen‹, vor, die ich zu Prag geschaut. Bleib Er der Wahrheit getreu, Jäger?« —»Auch nicht eine Silbe rede ich anders, als ich es bekräftigen kann mit einem körperlichen Eide«, sprach Lebrecht weiter.»Der Kerl war hingestürzt, und ich gedachte ihn nun zu fassen; doch schnell wie der Blitz raffte der Kerl sich auf und rannte spornstreichs – wohin? was denken Sie wohl, durchlauchtigster Fürst, wohin er rannte?« —»Ich denke nichts«, erwiderte der Fürst feierlich,»turbier Er mich nicht mit lästigen Fragen nach Gedanken, Jäger! sondern erzähle Er ruhig so lange, bis die Geschichte aus ist, dann will ich denken.«
«Gerade nach dem unbewohnten Pavillon rannte der Mensch«, fuhr der Jäger fort.»Ja – unbewohnt! Sowie er an die Türe geklopft, wurd' es inwendig hell, und wer nun heraustrat, war niemand anders als der saubere, ehrliche Herr Rupert, dem der Fremde hineinfolgte ins Haus, das er nun wieder fest verschloß. Sie sehen, durchlauchtigster Herr, daß Rupert Verkehr treibt mit fremden, gefährlichen Gästen, die bei ihrer Schleicherei gewiß Böses im Schilde führen. Wer weiß, worauf alles abzielt und es ist ja möglich, daß selbst mein durchlauchtigster Fürst hier in dem stillen ruhigen Sieghartshof von schlechten Menschen bedroht wird.«
Da Fürst Irenäus sich für eine höchst bedeutende fürstliche Person hielt, so konnt' es nicht fehlen, daß er manchmal von allerlei höfischen Kabalen und bösen Nachstellungen träumte. Des Jägers letzte Äußerung fiel ihm deshalb gar schwer aufs Herz, und er versank einige Augenblicke in tiefes Nachsinnen.»Jäger! Er hat recht«, sprach er dann mit weit aufgerissenen Augen.»Die Sache mit dem fremden Menschen, der hier herumschleicht, mit dem Licht, das sich zur Nachtzeit im Pavillon sehen läßt, ist bedenklicher, als sie im ersten Augenblick erscheint. – Mein Leben steht in Gottes Hand! aber mich umgeben treue Diener, und sollte einer sich für mich aufopfern, so würde ich ganz gewiß die Familie reichlich bedenken! – Verbreit' Er das unter meinen Leuten, guter Lebrecht! – Er weiß, ein fürstliches Herz ist frei von jeder Bangigkeit, von jeder menschlichen Todesfurcht, aber man hat auch Pflichten gegen sein Volk, ihm muß man sich konservieren, zumal wenn der Thronerbe noch unmündig. Darum will ich das Schloß nicht eher verlassen, bis die Kabale im Pavillon zerstört ist. – Der Förster soll mit den Revierjägern und allen übrigen Forstbedienten herankommen, alle meine Leute sollen sich bewaffnen. Der Pavillon soll sogleich umstellt, das Schloß fest verschlossen werden. Besorg' Er das guter Lebrecht! Ich selbst schnalle meinen Hirschfänger um, lade Er meine Doppelpistolen, aber vergesse Er nicht den Schieber vorzulassen, damit kein Unglück geschieht. – Und daß man mir Nachricht gibt, wenn etwa die Zimmer des Pavillons erstürmt und so die Verschwornen gezwungen werden sollen, sich zu ergeben, damit ich mich zurückziehen kann in die innern Gemächer. Und daß man die Gefangenen auf das sorglichste durchsucht, ehe sie vor den Thron gebracht werden, damit keiner etwa in der Verzweiflung – doch was steht Er, was sieht Er mich an, was lächelt Er, was soll das heißen Lebrecht?«
«Ei, durchlauchtigster Herr«, erwiderte der Leibjäger mit pfiffiger Miene,»ich meine nur, daß es gar nicht von nöten, den Förster mit seinen Leuten herzubeordern.«
«Warum nicht?«fragte der Fürst erzürnt.»Ich glaube gar, Er untersteht sich mir zu widersprechen? – Und in jeder Sekunde steigt die Gefahr! Tausend Sapp – Lebrecht, werf' Er sich auf Pferd – der Förster – seine Leute – geladene Büchsen – den Augenblick sollen sie einrücken.«—
«Sie sind aber schon da, durchlauchtigster Herr!«sprach der Leibjäger.
«Wie – was!«– rief der Fürst, indem er den Mund offen behielt um dem Erstaunen Luft zu gönnen.