Rauschende Wälder, flüsternde QuellenStrömender Ahnung spielende WellenMit mir o klaget!Saget o saget!Miesmies die Holde, wo ist sie gegangen,Jüngling in Liebe, Jüngling wo hat er,Miesmies die süße Huldin umfangen?Tröstet den Bangen.Tröstet den gramverwilderten Kater!Mondschein o Mondschein,Sag' mir wo thront meinArtiges Kindlein, liebliches Wesen!Wütender Schmerz kann niemals genesen!Trostloser liebender kluger Berater,Eil ihn zu rettenVon Liebesketten!Hilf ihm, o hilf dem verzweifelnden Kater.
Seht ein, geliebte Leser! daß ein wackerer Dichter weder sich im rauschenden Walde befinden, noch an einer flüsternden Quelle sitzen darf, ihm strömen der Ahnung spielende Wellen doch zu, und in diesen Wellen erschaut er doch alles, was
er will, und kann davon singen wie er will. Sollte jemand über die hohe Vortrefflichkeit obiger Verse zu sehr in Erstaunen geraten, so will ich bescheiden ihn darauf aufmerksam machen, daß ich mich in der Ekstase befand, in verliebter Begeisterung, und nun weiß jeder, daß jedem, der von dem Liebesfieber ergriffen, konnt' er auch sonst kaum Wonne auf Sonne, und Triebe auf Liebe reimen, konnt' er, sag' ich, auf diese nicht ganz ungewöhnlichen Reime trotz aller Anstrengung, sich durchaus nicht besinnen, plötzlich das Dichten ankommt und er die vortrefflichsten Verse heraussprudeln muß, wie einer, der vom Schnupfen befallen, unwiderstehlich ausbricht in schreckliches Niesen. Wir haben dieser Ekstase prosaischer Naturen schon viel Vortreffliches zu verdanken, und schön ist es, daß oft dadurch menschliche Miesmiese von nicht sonderlicher beauté auf einige Zeit einen herrlichen Ruf erhielten. Geschieht das nun am dürren Holz, was muß sich am grünen begeben? – Ich meine, werden schon hündische Prosaiker, bloß durch die Liebe umgesetzt in Dichter, was muß erst wirklichen Dichtern geschehen in diesem Stadium des Lebens? – Nun! weder im rauschenden Walde saß ich, noch an flüsternder Quelle, ich saß auf einem kahlen, hohen Dache, das bißchen Mondschein war kaum zu rechnen, und doch flehte ich in jenen meisterhaften Versen, Wälder und Quellen und Wellen, und zuletzt meinen Freund Ovid an, mir zu helfen, mir beizustehen in der Liebesnot. Etwas schwer wurde es mir, Reime zu den Namen meines Geschlechts zu finden, den gewöhnlichen Vater wußte ich selbst in der Begeisterung nicht anzubringen. Daß ich aber wirklich Reime fand, bewies mir auf's neue den Vorzug meines Geschlechts vor dem menschlichen, da auf das Wort Mensch sich bekanntlich nichts reimt, weshalb, wie schon irgend ein Witzbold von Theaterdichter bemerkt hat, der Mensch ein ungereimtes Tier ist. Ich bin dagegen ein gereimtes. – Nicht vergebens hatte ich die Töne der schmerzhaften Sehnsucht angeschlagen, nicht vergebens Wälder, Quellen, den Mondschein beschworen, mir die Dame meiner Gedanken zuzuführen, hinter dem Schornstein kam die Holde daherspaziert mit leichten, anmutigen Schritten.»Bist du es, lieber Murr, der so schön singt?«So rief mir Miesmies entgegen.»Wie«, erwiderte ich mit freudigem Erstaunen,»du kennst mich, süßes Wesen?«»Ach, ja wohl«, sprach sie,»du gefielst mir gleich beim ersten Blick, und es hat mir in der Seele weh getan, daß meine beiden unartigen Vettern dich so unbarmherzig in die Gosse«—»Schweigen wir«, unterbrach ich sie,»von der Gosse, bestes Kind – o sage mir, ob du mich liebst?« —»Ich habe mich«, sprach Miesmies weiter,»nach deinen Verhältnissen erkundigt, und erfahren, daß du Murr hießest, und bei einem sehr gütigen Mann nicht allein dein reichliches Auskommen hättest, sondern auch alle Bequemlichkeiten des Lebens genössest, ja, diese wohl mit einer zärtlichen Gattin teilen könntest! – o ich liebe dich sehr, guter Murr!«—»Himmel, rief ich im höchsten Entzücken, ist es möglich, ist es Traum, ist es Wahrheit? – O halte dich, – halte dich Verstand, schnappe nicht über! – Ha! bin ich noch auf der Erde? – sitze ich noch auf dem Dache? – schwebe ich noch in den Wolken? Bin ich noch der Kater Murr, bin ich nicht der Mann im Monde? – Komm an meinen Busen Geliebte – doch sage mir erst deinen Namen Schönste. – Ich heiße Miesmies, erwiderte die Kleine süß lispelnd in holder Verschämtheit, und setzte sich traulich neben mir hin. Wie schön sie war! Silbern glänzte ihr weißer Pelz im Mondschein, in sanftem, schmachtendem Feuer funkelten die grünen Äuglein. Du —