»Da kommt Ruth«, erwiderte Marill. »Und ebenso wie ich hierbleibe, fahren Sie ab, verstehen Sie das auch?«
»Ja, Marill.«
»Gott sei Dank!«
Ruth blieb eine Sekunde an der Tür stehen. Dann stürzte sie auf Kern zu. »Wann bist du gekommen?«
»Vor einer halben Stunde.«
Ruth hob den Kopf aus einer Umarmung, die endlos und kürzer als ein Herzschlag war. »Weißt du…?«
»Ja. Marill hat mir alles gesagt.«
Kern sah sich um. Marill war nicht mehr da.
»Und weißt du auch…?« fragte Ruth zögernd.
»Ja, ich weiß es. Wir wollen nicht davon sprechen jetzt. Komm, wir wollen hier heraus! Laß uns auf die Straße gehen. Nach draußen. Ich möchte hier weg. Laß uns auf die Straße gehen.«
»Ja.«
SIE GINGEN ÜBER die Champs-Elysées. Es war Abend, und der halbe Mond stand blaß am apfelgrünen Himmel. Die Luft war silbern und klar und so milde, daß die Kaffeehausterrassen voller Gäste waren.
Sie gingen schweigend, eine lange Zeit. »Weißt du eigentlich, wo Mexiko liegt?« fragte Kern schließlich.
Ruth schüttelte den Kopf. »Nicht genau. Aber ich weiß auch nicht mehr, wo Deutschland liegt.«
Kern sah sie an. Dann nahm er ihren Arm. »Wir müssen uns eine Grammatik kaufen und Spanisch lernen, Ruth.«
»Ich habe vorgestern schon eine gekauft. Antiquarisch.«
»So, antiquarisch…« Kern lächelte. »Wir werden schon durchkommen, Ruth, was?«
Sie nickte.
»Auf jeden Fall sehen wir etwas von der Welt. Das hätten wir sonst nicht gehabt, zu Hause.«
Sie nickte wieder.
Sie gingen weiter, am Rond point vorüber. An den Bäumen drängte sich das erste junge Grün. Im Licht der frühen Lampen sah es aus wie ein flackerndes Elmsfeuer, das aus der Erde kam und die Äste und Zweige der Kastanien entlang loderte. Die Erde der Anlagen war umgegraben. Ihr starker Duft mischte sich sonderbar mit dem Geruch von Benzin und Öl, der immer über die breite Straße wehte. An einigen Stellen hatten die Gärtner bereits blühende Narzissenbeete eingesetzt. Sie schimmerten in der Dämmerung. Es war die Stunde, wo die Geschäfte geschlossen wurden, und der Verkehr war so dicht, daß es schwer war, vorwärts zu kommen.
Kern sah Ruth an. »Wie viele Menschen es gibt«, sagte er.
»Ja«, erwiderte sie. »Furchtbar viele Menschen.«