Nicht aber für Bach und Albano. Bachs Gesicht schien es verlernt zu haben, so etwas wie Überraschung zu zeigen, und doch schien es Albano, als zucke beim Anblick seines womöglich engsten Mitstreiters ein Anflug von Unverständnis und Ärger übers Gesicht. Aber statt das Bild zu kommentieren, nickte er wie geistesabwesend. »Und was hat die Überprüfung der Telefonverbindungen ergeben?«, fragte er seinen unsichtbaren Gesprächspartner, während er mit dem Telefon in der Hand an das nach innen führende Fenster trat, dessen Jalousien nicht nur wegen der Vorführung heruntergelassen waren. Er schob ein paar Lamellen auseinander, gerade weit genug, um einen Blick auf den Mann werfen zu können, der auf der Leinwand in Übergröße hinter Oswald stand, während er im Augenblick unruhig wartend auf dem Flur stand. Fast schien es, als würde Steel spüren, dass sich etwas gegen ihn zusammenbraute, denn seine sonst zur Schau getragene Überheblichkeit hatte einem unruhig flackernden Blick Platz gemacht. Er biss sich auf die Lippen und sah sich sichernd nach beiden Seiten im Gang um; eine erstaunlich menschliche Bewegung für jemanden, der hive sein sollte.
»Das ist genau einen Moment vor Oswalds Ermordung«, stellte Albano fest, der den Blick nicht von der Leinwand genommen hatte. »Und Steel steht genau in der richtigen Position.« Er musste nicht erklären, wozu die Position richtig war.
»Hat Steel mit Jack Rubys Klub auch am Tag vor der Ermordung Oswalds telefoniert?«, fragte Bach in den Telefonhörer, ohne auf Albanos Worte einzugehen. Er lauschte seinem Gesprächspartner und runzelte die Stirn. »Okay, gehen Sie der Sache weiter nach und halten Sie mich auf dem Laufenden. Und geben Sie Renaldo Bescheid, dass die Sache jetzt steigen wird.« Ohne ein weiteres Wort legte er auf und setzte den Telefonapparat auf dem Tisch ab. Einen Moment starrte er mit gerunzelter Stirn auf die Leinwand. »Schalten Sie den Projektor aus«, sagte er dann. »Und lassen Sie uns gehen. Bringen wir es hinter uns.«
Albano nickte und tat, wie ihm geheißen war. Als er auf den Ausgang zuging, fuhr seine Hand automatisch unter sein Jackett zum Holster, in dem seine schussbereite Waffe steckte. Nach Bach verließ er den Raum und schloss hinter sich die Tür des schalldichten Raums, in dem mehr brisante Entscheidungen getroffen worden waren, als es den Verantwortlichen im Weißen Haus lieb sein konnte. Dieser Raum war so etwas wie die geheime Kommandozentrale von Majestic – funktionell und fast spartanisch eingerichtet, aber absolut abhörsicher und unauffällig genug, um von gelegentlichen Besuchern aus der Politik nur als durchschnittlicher Tagungsraum wahrgenommen zu werden.
»Ach, Steel, gut dass ich Sie hier treffe«, sagte Bach ohne Umschweife, als er auf den Korridor trat und fast in seinen dienstältesten Außendienstmitarbeiter gestolpert wäre. »Kommen Sie mit, wir müssen da ein paar Dinge klären.«
Steel kniff die Augen zusammen, aber sein flackernder Blick beruhigte sich, als er sah, wie Albano hinter ihm auftauchte, seine Sonnenbrille aus der Tasche nahm und sie mit einer ruhigen Bewegung aufsetzte. »Ich wollte auch mit Ihnen sprechen«, stieß er hervor. »Es geht um Loengard. Wir müssen ihn unbedingt erwischen, bevor er mit Robert Kennedy Kontakt aufnehmen kann.«
»Da bin ich ganz Ihrer Meinung«, antwortete Bach ruhig, während er den Korridor hinunterging, der eher zu einer Finanzbehörde gepasst hätte als zu einem hoch technisierten geheimen Sicherheitstrakt unterhalb Washingtons, wären da nicht die in regelmäßigen Abständen und zusätzlich zur flackernden Neonbeleuchtung platzierten, durch massive Stahlgeflechte gesicherten Lampen gewesen, die ungewöhnlich angeschrägte Decke und die roten und gelben Notschalter, deren Funktion auf den ersten Blick kaum erkenntlich war. »Der junge Mann wird langsam lästig. Wir müssen ihn schnellstmöglich aus dem Verkehr ziehen.«
»Ich werde mich persönlich um Loengard kümmern«, sagte Steel. In seiner Stimme schwang eine Ungeduld mit, die ahnen ließ, wie sehr ihm die Angelegenheit unter den Fingern brannte. Wer nicht wusste, was in ihm vorging, hätte ihn einfach für einen engagierten Mitarbeiter halten können. »Ich werde diesen Kerl erwischen, bevor er auch nur auf einen Kilometer an Bobby Kennedy herankommt.«
»Das wäre sicherlich wünschenswert«, antwortete Bach ruhig. Er öffnete eine Zwischentür und drehte sich mit seinem typischen kalten Lächeln zu Steel um. »Zumal Loengard sich zurzeit in Washington D.C. aufhält.«
»Da wissen Sie mehr als ich«, sagte Steel stirnrunzelnd, während er hinter Bach die Zwischentür passierte und ihm in den Seitengang folgte, der zu den Labors führte. Er konnte nicht ganz verhindern, dass Ärger in seiner Stimme mitschwang. »Aber ich werde jetzt die Angelegenheit in die Hand nehmen und Ihnen noch heute diese kleine Ratte vor die Füße werfen.«
»Keinesfalls«, sagte Bach ruhig. »Loengard ist keine persönliche Angelegenheit...«
»Aber er ist das größte Problem, das wir zurzeit haben«, unterbrach ihn Steel.