Eine Laterne hing plötzlich zehn Zentimeter vor meiner Nase und blendete mich einen Augenblick lang.
»James Fraser, unterwegs nach Wilmington mit meiner Familie und meinen Bediensteten.« Jamies Stimme war ruhig, und seine Hände zitterten nicht, als er mir die Zügel reichte, bevor er nach den Pässen in seiner Jacke griff.
Ich hob den Kopf nicht und versuchte, müde und gleichgültig auszusehen. Ich war müde, das stimmte – ich hätte mich einfach so auf die Straße legen und einschlafen können –, doch ich war alles andere als gleichgültig. Was machten sie wohl mit einem Mann, der einem entlaufenen Galgensträfling bei der Flucht half? Ein einzelner Schweißtropfen schlich sich an meinem Nacken herunter.
»Habt Ihr im Vorbeifahren irgendjemanden auf der Straße gesehen, Sir?« Das »Sir« kam etwas zögerlich, denn der traurige Zustand von Jamies Rock und meinem Kleid war im gelben Lichtkegel der Laterne nicht zu übersehen.
»Von der Stadt her ist uns eine Kutsche entgegengekommen, die habt Ihr wohl selbst gesehen«, antwortete Jamie. Der Sergeant antwortete mit einem Grunzen, überprüfte die Pässe sorgfältig und blinzelte dann in die Dunkelheit, um sicherzugehen, dass die Zahl der Anwesenden dazu passte.
»Was habt Ihr dabei?« Er gab die Pässe zurück und signalisierte einem seiner Untergebenen, den Wagen zu durchsuchen. Ich ruckte aus Versehen an den Zügeln, und die Pferde schnaubten und warfen die Köpfe hin und her. Jamies Fuß stieß gegen den meinen, doch er sah mich nicht an.
»Haushaltswaren«, antwortete er, immer noch ruhig. »Ein Stück Wild und einen Beutel Salz als Vorräte. Und eine Leiche.«
Der Soldat, der nach der Abdeckung des Wagens gegriffen hatte, hielt abrupt inne. Der Sergeant warf uns einen scharfen Blick zu.
»Eine was?«
Jamie nahm mir die Zügel ab und wickelte sie sich lässig um das Handgelenk. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Duncan sich auf den dunklen Wald zubewegte. Fergus, der erfahrene Taschendieb, war bereits aus dem Blickfeld verschwunden.
»Die Leiche des Mannes, der heute Mittag gehängt wurde. Ich kannte ihn und habe mir von Colonel Franklin die Erlaubnis erbeten, ihn zu seinen Verwandten im Norden mitzunehmen. Deshalb reisen wir auch bei Nacht«, fügte er vielsagend hinzu.
»Aha.« Der Sergeant winkte einen Laternenträger heran. Er warf Jamie einen langen, nachdenklichen Blick aus zusammengekniffenen Augen zu und nickte. »Ich erinnere mich an Euch«, sagte er. »Ihr habt ihm am Schluss etwas zugerufen. Euer Freund, ja?«
»Ich war einmal mit ihm bekannt. Vor einigen Jahren«, fügte er hinzu. Der Sergeant nickte seinem Untergebenen zu und ließ Jamie nicht aus den Augen.
»Sieh nach, Griswold.«
Griswold, der vielleicht vierzehn war, nahm den Befehl mit einem merklichen Mangel an Begeisterung entgegen, lüftete aber gehorsam die Segeltuchplane und hielt seine Laterne hoch, um das Innere auszuleuchten. Nur mit Mühe hielt ich mich davon ab, mich umzudrehen und hinzusehen.
Das Pferd direkt vor mir schnaubte und warf den Kopf zurück. Falls wir durchstarten mussten, würde es mehrere Sekunden dauern, bis sich der Wagen in Bewegung setzte. Ich hörte, wie Ian sich hinter mir bewegte und seine Hand auf den Hickoryknüppel legte, der hinter dem Sitz verstaut war.
»Ja, Sir, hier ist eine Leiche«, erstattete Griswold Bericht. Er ließ die Plane erleichtert sinken und atmete tief durch die Nase aus.
»Pflanz dein Bajonett auf und stich hinein«, sagte der Sergeant, den Blick noch auf Jamie gerichtet. Ich musste ein Geräusch von mir gegeben haben, denn nun richtete sich der Blick des Sergeanten auf mich.
»Ihr werdet mir den Wagen ruinieren«, erhob Jamie Einspruch. »Der Mann hat einen Tag in der Sonne gelegen und ist ziemlich reif, aye?«
Der Sergeant schnaubte ungeduldig. »Dann stich ihn ins Bein. Los, Griswold.«
Mit beträchtlichem Widerwillen pflanzte Griswold sein Bajonett auf, stellte sich auf die Zehenspitzen und fing an, im Laderaum herumzustochern. Hinter mir hatte Ian leise zu pfeifen begonnen, ein gälisches Lied mit dem Titel »Und am Morgen sterben wir« – was ich ziemlich geschmacklos von ihm fand.
»Nein, Sir, er ist wirklich tot.« Griswold stellte sich wieder auf die Fersen und klang erleichtert. »Ich hab fest zugestochen, aber es kam kein Muckser.«
»Also, in Ordnung.« Der Sergeant entließ den jungen Soldaten mit einer Kopfbewegung und nickte Jamie zu. »Fahrt weiter, Mr. Fraser. Aber ich würde Euch raten, Euch Eure Freunde in Zukunft besser auszusuchen.«
Ich sah, wie Jamies Knöchel auf den Zügeln weiß wurden, aber er setzte sich nur aufrecht hin und setzte sich den Hut fester auf den Kopf. Er schnalzte mit der Zunge, die Pferde zogen abrupt an und ließen bleiche Staubwölkchen zurück, die hinter uns im Laternenlicht schwebten.
Nach dem Licht erschien die Dunkelheit allumfassend; trotz des Mondes konnte ich so gut wie nichts sehen. Die Nacht hüllte uns ein. Ich spürte die Erleichterung eines gejagten Tieres, das sichere Zuflucht findet, und trotz der bedrückenden Hitze atmete ich freier.