»Gouverneur Tryon ist gerade in der Stadt«, erklärte er. »Er wohnt bei einem Mr. Lillington. Heute Morgen habe ich mich mit einem Kaufmann namens MacEachern unterhalten, der mich zu einem Mann namens MacLeod geschickt hat, der –«
»Der dich MacNeil vorgestellt hat, der dich mit zu MacGregor in die Kneipe genommen hat, der dir alles über seinen Neffen Bethune erzählt hat, dessen Vetter dritten Grades der Junge ist, der mit dem Gouverneur die Schuhe putzt«, schlug ich vor, denn inzwischen kannte ich die komplexen Pfade schottischer Geschäftsbeziehungen.
Man setze zwei Hochlandschotten in einen Raum, und innerhalb von zehn Minuten sind sie mit der jeweiligen Familiengeschichte der letzten zweihundert Jahre vertraut und haben eine hilfreiche Anzahl gemeinsamer Verwandter und Bekannter entdeckt.
Jamie grinste.
»Es war der Sekretär der Frau des Gouverneurs«, verbesserte er, »und er heißt Murray. Er ist Maggies ältester Sohn – der Cousine deines Vaters, von Loch Linnhe«, fügte er, an Ian gerichtet, hinzu. »Sein Vater ist nach dem Aufstand emigriert.« Ian nickte beiläufig. Zweifellos trug er die Information gerade in seine eigene Ausgabe der genetischen Enzyklopädie ein und speicherte sie dort für den Tag, an dem sie sich nützlich erweisen würde.
Edwin Murray, der Sekretär der Frau des Gouverneurs, hatte Jamie herzlich als Verwandten willkommen geheißen – obwohl er nur angeheiratet war – und uns für den heutigen Abend eine Einladung bei den Lillingtons besorgt, vorgeblich, damit wir dem Gouverneur über den Handel auf den Westindischen Inseln berichteten. In Wirklichkeit hatten wir vor, uns mit Baron Penzler bekannt zu machen – einem gutsituierten deutschen Adligen, der ebenfalls dort dinieren würde. Der Mann war nicht nur für seinen Reichtum, sondern auch für seinen Geschmack und seine Sammlung wertvoller Objekte bekannt.
»Na ja, es könnte eine gute Idee sein«, sagte ich zweifelnd. »Aber ich denke, du gehst besser allein. Ich kann nicht mit einem Gouverneur speisen, solange ich
»Ach, du siehst doch g–« Bei genauem Hinsehen verstummte er. Sein Blick wanderte langsam über mich und erfasste mein schmutziges, zerknittertes Kleid, mein zerzaustes Haar und mein zerschlissenes Häubchen.
Er runzelte die Stirn. »Nein, ich will, dass du mitkommst, Sassenach; ich brauche vielleicht ein Ablenkungsmanöver.«
»Wo wir gerade von Ablenkungsmanövern sprechen, wie viele Liter Bier hat es dich gekostet, das mit der Einladung zum Abendessen zu deichseln?«, fragte ich angesichts unserer schwindenden Finanzen. Jamie zuckte nicht mit der Wimper, sondern nahm mich beim Arm und schob mich auf die Ladenzeile zu.
»Drei, aber er hat die Hälfte bezahlt. Komm, Sassenach, um sieben gibt’s Essen, und wir müssen etwas Anständiges für dich zum Anziehen finden.«
»Aber wir können es uns nicht leisten –«
»Es ist eine Investition«, sagte er bestimmt. »Und außerdem hat Vetter Edwin mir einen Vorschuss auf den Erlös des Steines gegeben.«
Gemessen am kosmopolitischen Standard von Jamaika, war das Kleid seit zwei Jahren aus der Mode, doch es war sauber, und das war für mich die Hauptsache.
»Ihr tropft, Madame.« Die Stimme der Schneiderin war kalt. Sie war eine schmale, unscheinbare Frau in den mittleren Jahren und die beste Schneiderin von Wilmington – und wie ich merkte, war sie es gewohnt, dass man ihrem Modediktat widerspruchslos folgte. Ich war bei ihr in Ungnade gefallen, weil ich mir lieber die Haare gewaschen hatte, als ein Spitzenhäubchen aufzusetzen, und sie hatte mir eine Rippenfellentzündung prophezeit. Die Nadeln, die sie im Mund hatte, zitterten empört, als ich darauf bestand, das übliche schwere Korsett durch ein leichteres, fischbeinverstärktes Mieder zu ersetzen, das die Brüste anhob, ohne zu kneifen.
»Entschuldigung.« Ich steckte die feuchte Locke, die den Ärger verursacht hatte, in das Leinentuch, das um meinen Kopf gewickelt war.
Da die Gästequartiere in Mr. Lillingtons großem Haus vollständig von den Begleitern des Gouverneurs belegt waren, hatte man mich in Vetter Edwins winziges Speicherzimmer über dem Stall verwiesen, und die Anprobe wurde von gedämpften Stampf- und Kaugeräuschen aus der unteren Etage begleitet, in die sich noch die monotonen Melodien mischten, die der Stallknecht beim Ausmisten pfiff.
Trotzdem konnte ich mich nicht beklagen: Mr. Lillingtons Ställe waren um einiges sauberer als das Gasthaus, in dem Jamie und ich unsere Begleiter zurückgelassen hatten, und Mrs. Lillington hatte großzügigerweise dafür gesorgt, dass ich mit einer großen Schüssel heißen Wassers und einem Stück Lavendelseife versorgt wurde – was mir noch viel wichtiger war als das frische Kleid. Hoffentlich bekam ich nie wieder einen Pfirsich zu Gesicht.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um aus dem Fenster zu sehen, falls Jamie kam, gab aber auf, als die Schneiderin, die gerade meinen Rocksaum absteckte, ein Protestgeräusch von sich gab.