Читаем Outlander - Der Ruf der Trommel: Roman (Die Outlander-Saga 4) (German Edition) полностью

Demzufolge betrachtete ich den riesigen Stör, dem ich Augapfel in Augapfel gegenübersaß, mit deutlicher Appetitlosigkeit. Man hatte dem neunzig Zentimeter langen Fisch nicht nur die Augen, sondern auch die Flossen, die Schuppen und den Schwanz gelassen, und er thronte majestätisch auf Wellen aus Rogen in Aspik, verziert mit Unmengen kleiner gewürzter Krebse, die man ganz gekocht und kunstvoll auf der Servierplatte verstreut hatte.

Ich trank noch einen großen Schluck Wein und wandte mich an meinen Tischgenossen, wobei ich versuchte, nicht in die glasigen Glupschaugen des Störs zu blicken.

»… ein überaus impertinenter Mensch!«, sagte Mr. Stanhope gerade über einen Herrn, dem er auf dem Weg von Wilmington zu seinen Besitztümern in New Bern in einer Poststation begegnet war.

»Also wirklich, wir nahmen gerade Erfrischungen zu uns, da fing er von seinen Hämorrhoiden an und welche Qual ihm die ständigen Stöße der Kutsche verursachten. Und der Teufel soll mich holen, wenn er dann nicht ein über und über mit Blut beflecktes Taschentuch aus der Tasche zog, um es den Anwesenden zu beweisen! Hat mir vollständig den Appetit verdorben, das versichere ich Euch, Madam«, sagte er zu mir und stopfte sich mit Hühnerfrikassee voll. Er kaute langsam und betrachtete mich mit blassblauen, hervorquellenden Augen, die mich unangenehm an die des Störs erinnerten.

Auf der anderen Seite des Tisches zuckte Phillip Wylies Mund belustigt.

»Passt auf, dass Euer Gesprächsthema nicht dieselbe Wirkung hervorruft, Stanhope«, sagte er und deutete auf meinen unberührten Teller. »Obwohl ich ja zugeben muss, dass die oft ungehobelte Gesellschaft zu den Unannehmlichkeiten öffentlicher Verkehrsmittel gehört.«

Stanhope zog die Nase hoch und strich sich die Krümel aus den Falten seines Halstuches.

»Braucht Euch gar nichts einzubilden, Wylie. Nicht jeder kann sich eine Kutsche leisten, schon gar nicht bei all diesen neuen Steuern. Kaum wendet man sich ab, schon hat man eine neue am Hals – ich muss schon sagen!« Er fuchtelte erbost mit der Gabel. »Tabak, Wein, Brandy, schön und gut, aber eine Zeitungssteuer, hat man so was schon gehört? Der älteste Sohn meiner Schwester hat letztes Jahr seinen Abschluss an der Universität Yale gemacht« – er blies sich unbewusst auf und sprach ein kleines bisschen lauter als gewöhnlich –, »und dann musste sie doch tatsächlich einen halben Schilling bezahlen, nur damit er einen offiziellen Stempel auf sein Diplom bekam!«

»Das gibt es jetzt aber nicht mehr«, sagte Vetter Edwin geduldig. »Seit der Abschaffung der Stempelverordnung …«

Stanhope pickte einen der winzigen Krebse von der Platte und schwenkte ihn anklagend in Edwins Richtung.

»Kaum sind wir eine Steuer los, schon taucht die nächste an ihrer Stelle auf. Sie schießen wie Pilze aus dem Boden!«

Er steckte sich den Krebs in den Mund, und man hörte ihn undeutlich murmeln, dass es ihn nicht wundern würde, wenn demnächst noch die Luft besteuert würde.

»Ihr seid erst kürzlich von den Westindischen Inseln gekommen, Madame Fraser?« Auf meiner anderen Seite ergriff Baron Penzler die Gelegenheit, sich ins Gespräch zu mischen. »Ihr werdet wohl kaum mit solchen Provinzgeschichten vertraut sein – oder Euch dafür interessieren«, fügte er hinzu und deutete Stanhope mit einem wohlwollenden Nicken an, dass seine Redezeit vorbei war.

»Oh, jeder interessiert sich für Steuern«, sagte ich und drehte mich leicht zur Seite, um mein Dekolleté möglichst gut zur Geltung zu bringen. »Oder meint Ihr nicht auch, dass Steuern der Preis für eine zivilisierte Gesellschaft sind? Obwohl« – ich nickte zur anderen Seite – »Mr. Stanhope mir nach seiner Geschichte vielleicht beipflichtet, dass der Grad der Zivilisation nicht unbedingt dem Grad der Besteuerung entspricht?«

»Ha, ha!« Stanhope verschluckte sich an einem Stück Brot und spuckte Krümel in alle Richtungen. »Oh, das ist gut! Nicht dem Grad – ha, ha, nein, wirklich nicht!«

Phillip Wylie pflichtete mir mit einem sardonischen Nicken bei.

»Ihr müsst versuchen, nicht ganz so amüsant zu sein, Mrs. Fraser«, sagte er. »Es könnte den Tod des armen Stanhope bedeuten.«

»Äh … was meint Ihr denn, wie hoch zurzeit die Besteuerungsrate ist?«, fragte ich und lenkte taktvoll von Stanhopes Gehuste ab.

Wylie spitzte die Lippen und überlegte. Dandy, der er war, trug er eine hochmodische Perücke, und ein sternförmiges Schönheitspflästerchen klebte neben seinem Mund. Aber hinter dem gutaussehenden, gepuderten Gesicht verbarg sich offenbar auch ein sehr gewitztes Gehirn.

»Oh, wenn man alle Nebenverdienste mit einberechnet, würde ich sagen, können es bis zu zwei von hundert des Jahreseinkommens sein, wenn man die Sklavensteuern mitzählt. Wenn man die Steuern auf Land und Ernten hinzufügt, wird es vielleicht etwas mehr.«

»Zwei Prozent!«, prustete Stanhope und hämmerte sich auf die Brust. »Das schreit zum Himmel! Das schreit einfach zum Himmel!«

Перейти на страницу:

Похожие книги