»O ja! Eine bezaubernde Frau, höchst bezaubernd.« Ein breites Lächeln hob die Hängebacken des Barons. »Ich bin schon seit vielen Jahren ein guter Freund von Mrs. Cameron und war auch ein Freund ihres leider verstorbenen Gatten.«
Der Baron begann eine begeisterte Aufzählung der Freuden von River Run, und ich benutzte diesen Monolog, um mir ein kleines Stück Fischpastete reichen zu lassen, die nicht nur mit Fisch, sondern auch mit Austern und Shrimps in einer Sahnesauce gefüllt war. Mr. Lillington hatte offensichtlich weder Kosten noch Mühen gescheut, um den Gouverneur zu beeindrucken.
Als ich mich zurücklehnte, damit der Lakai noch etwas Sauce auf meinen Teller schöpfen konnte, sah ich, dass Judith Wylie mich voll unverhüllter Abneigung beäugte. Ich lächelte ihr liebenswürdig zu, wobei ich meine exzellenten Zähne entblößte, dann wandte ich mich mit neuem Selbstbewusstsein wieder dem Baron zu.
In Edwins Quartier hatte es keinen Spiegel gegeben. Zwar hatte Jamie mir versichert, dass ich gut aussah, doch seine Maßstäbe waren andere als die der Mode. Bei Tisch hatten die Herren nicht mit Komplimenten gegeizt, das stimmte, doch das konnte auch ganz normale Höflichkeit sein – die Herren der Oberschicht neigten zu übertriebener Galanterie.
Doch Miss Wylie war fünfundzwanzig Jahre jünger als ich, sie trug modische Kleider und Schmuck, und wenn sie auch keine große Schönheit war, so war sie doch auch nicht unansehnlich. Ihre Eifersucht reflektierte meine Erscheinung besser als jeder Spiegel, dachte ich.
»Was für ein schöner Stein, Mrs. Fraser – erlaubt Ihr mir, ihn genauer anzusehen?« Der Baron beugte sich zu mir herüber, und seine Wurstfinger schwebten gefährlich dicht über meinem Ausschnitt.
»Oh, aber sicher«, sagte ich hastig, öffnete schnell den Verschluss der Kette und ließ den Rubin in seine breite, feuchte Hand fallen. Der Baron machte ein etwas enttäuschtes Gesicht darüber, dass es ihm nicht vergönnt war, den Stein
Ich entspannte mich bei diesem Anblick und ließ mir eine Portion von einem heißen, herzhaft duftenden Gericht geben, das der Butler in einer Glasschüssel umhertrug. Was dachten sich die Leute nur dabei, heißes Essen zu servieren, wo die Raumtemperatur mindestens fünfunddreißig Grad betrug?
»Schön«, murmelte der Baron und drehte den Stein sanft in seiner Hand. »Sehr schön.«
Es gab nicht viele Dinge, bei denen ich Geillis Duncan vertraut hätte, aber ich war mir sicher, dass sie einen untrüglichen Geschmack für Edelsteine gehabt hatte. »Es muss ein erstklassiger Stein sein«, hatte sie zu mir gesagt, als sie mir ihre Theorie der Zeitreise mit Hilfe von Edelsteinen erklärte. »Groß und völlig makellos.«
Der Rubin war groß, das stimmte; er hatte fast die Größe der eingelegten Wachteleier, die den vollständig gefiederten Fasan auf der Anrichte umrahmten. Und was seine Makellosigkeit anging, so hatte ich keinerlei Zweifel. Geillis hatte darauf vertraut, dass dieser Stein sie in die Zukunft tragen würde, da würde er uns wohl bis Cross Creek bringen. Ich kostete das Gericht auf meinem Teller; eine Art Ragout, dachte ich, sehr zart und aromatisch.
»Wie köstlich das ist«, sagte ich zu Mr. Stanhope und nahm noch eine Gabel. »Wisst Ihr, was das ist?«
»Oh, das ist eins meiner Lieblingsgerichte, Ma’am«, sagte er und roch selig an seinem Teller. »Eingelegter Schweinskopf. Himmlisch, nicht wahr?«
Ich schloss die Tür von Vetter Edwins Zimmer hinter mir und lehnte mich dagegen, während ich vor Erleichterung darüber, nicht mehr ständig lächeln zu müssen, meine Kinnlade herunterfallen ließ. Jetzt konnte ich das Kleid ausziehen, das mir am Körper klebte, das enge Mieder aufschnüren und aus den verschwitzten Schuhen schlüpfen.
Friede, Einsamkeit, Nacktheit und Stille. Ich konnte mir im Augenblick nicht vorstellen, was mir sonst noch zum vollkommenen Glück fehlen sollte, vielleicht mit Ausnahme von frischer Luft. Ich zog mich aus und ging, nur mit meinem Hemd bekleidet, zum Fenster.
Draußen war die Luft so dick, dass ich das Gefühl hatte, ich hätte aus dem Fenster steigen und heruntersinken können wie ein Kiesel in einem Glas Melasse. Insekten stürzten sich lichthungrig und blutrünstig auf meine Kerzenflamme. Ich blies sie aus, setzte mich im Dunkeln auf die Fensterbank und ließ mich von der sanften, warmen Luft einhüllen.
Der Rubin hing immer noch um meinen Hals, schwarz wie ein Blutstropfen auf meiner Haut. Ich berührte ihn und ließ ihn sanft zwischen meinen Brüsten schwingen; der Stein war auch so warm wie mein Blut.
Draußen machten sich die Gäste auf den Heimweg. In der Auffahrt warteten eine Reihe Kutschen. Abschiedsgrüße, Unterhaltungen und leises Gelächter trieben in Fetzen zu mir herauf.