Die Schüsse verstummten. Die Rufe nicht, doch er verstand sie nicht. Er wusste, dass er flach auf dem Gesicht lag, kalte Nässe im Gesicht und den Geruch abgestorbenen Laubes in der Nase – doch er hatte das Gefühl, aufrecht zu stehen, aber ziemlich betrunken zu sein, während sich die Welt langsam um ihn drehte. Nachdem der erste, akute Schmerz vergangen war, tat sein Kopf nicht mehr sehr weh, doch er schien ihn nicht heben zu können.
Ihm kam dumpf der Gedanke, dass niemand davon erfahren würde, wenn er jetzt hier starb. Es würde seiner Mutter Kummer bereiten, dachte er, nicht zu wissen, was aus ihm geworden war.
Die Geräusche wurden leiser, geordneter jetzt. Eine Stimme brüllte nach wie vor, doch es klang, als erteilte sie Befehle. Sie entfernten sich. Ihm kam der vage Gedanke, dass er rufen könnte. Wenn sie sahen, dass er weiß war, halfen sie ihm ja vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
Er blieb still. Entweder lag er im Sterben oder nicht. Wenn es so war, gab es keine Hilfe. Wenn nicht, brauchte er keine.
Kapitel 2
Die Hütte der Holländer
Niemand hatte von der Existenz der Blockhütte gewusst, bis Kenny Lindsay, der am Fluss unterwegs war, die Flammen gesehen hatte.
»Es wäre mir gar nicht aufgefallen«, sagte er zum zirka sechsten Mal. »Wenn es nicht dunkel geworden wäre. Wäre es heller Tag gewesen, hätte ich nichts davon gemerkt, nichts.« Er wischte sich mit zitternder Hand über das Gesicht, unfähig, den Blick von den Leichen abzuwenden, die am Waldrand aufgereiht lagen. »Sind das Wilde gewesen,
»Nein.« Jamie legte das rußverschmierte Taschentuch sanft wieder auf das blaue Gesicht eines kleinen Mädchens, das zu ihm aufstarrte. »Keiner von ihnen ist verletzt. Das musst du doch gesehen haben, als du sie ins Freie gebracht hast?«
Lindsay schüttelte mit geschlossenen Augen den Kopf und erschauerte heftig. Es war später Nachmittag und ein kühler Frühlingstag, doch die Männer schwitzten alle.
»Ich habe nicht hingesehen«, sagte er schlicht.
Meine eigenen Hände waren wie Eis, so taub und gefühllos wie die gummiartige Haut der toten Frau, die ich gerade untersuchte. Sie waren bereits über einen Tag tot; die Totenstarre war schon vorbei, und sie waren jetzt schlaff und kühl, doch das kalte Wetter des Gebirgsfrühlings hatte sie bis jetzt vor den entwürdigenden Widerwärtigkeiten der Verwesung bewahrt.
Dennoch atmete ich flach; die Luft war bitter vom Brandgeruch. Hier und dort stieg eine Rauchsäule von der verkohlten Ruine der winzigen Hütte auf. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Roger gegen einen Baumstamm trat und sich dann bückte, um darunter etwas vom Boden aufzuheben.
Kenny hatte lange vor Tagesanbruch an unsere Tür gehämmert und uns aus unseren warmen Betten geholt. Wir waren in aller Eile hergekommen, obwohl wir wussten, dass wir für jede Hilfe zu spät kamen. Einige der Pächter von den Siedlungsstätten in Fraser’s Ridge hatten uns begleitet; Kennys Bruder Evan stand mit Fergus und Ronnie Sinclair unter den Bäumen zusammen, wo sie sich leise auf Gälisch unterhielten.
»Weißt du, was sie erwischt hat, Sassenach?« Jamie hockte sich mit sorgenvollem Gesicht neben mich. »Zumindest die Toten unter den Bäumen.« Er wies kopfnickend auf die Leiche vor mir. »Was die arme Frau hier umgebracht hat, weiß ich selbst.«
Der lange Rock der Frau regte sich im Wind und gab ihre langen, schlanken Füße preis, die in Lederpantoletten steckten. Ebenso schlanke Hände lagen reglos an ihren Seiten. Sie war hochgewachsen gewesen – wenn auch nicht so groß wie Brianna, dachte ich und sah mich automatisch nach dem leuchtenden Haar meiner Tochter um, das sich am anderen Ende der Lichtung zwischen dem Geäst bewegte.
Ich hatte die Schürze der Frau hochgeschlagen, um ihren Kopf und ihren Oberkörper zu bedecken. Ihre Hände waren rot, die Fingerknöchel von der Arbeit rauh, die Handflächen voller Schwielen, doch aus ihren festen Oberschenkeln und ihrem schlanken Körperbau schloss ich, dass sie nicht älter als dreißig war – wahrscheinlich viel jünger. Niemand konnte sagen, ob sie hübsch gewesen war. Ich schüttelte den Kopf als Antwort auf seine Bemerkung.