Bei ihrem Anblick richtete er sich blitzartig auf, nahm eine lässige Haltung an und strich sich eine braune Haarlocke aus der Stirn.
»Ah, oh! Nichts, Miss. Kleine Schwierigkeit mit diesen Söhnen Belials. Keine Angst, es geht schon.«
Woraufhin er die Augen verdrehte und ohnmächtig umfiel.
»Oh!« Lizzie huschte die Stufen hinunter, kniete sich neben ihn und tätschelte ihm eindringlich die Wange. »Geht es ihm gut, Mrs. Fraser?«
»Weiß der Himmel«, sagte ich unverblümt. »Aber ich glaube schon.« Bobby schien normal zu atmen, und ich fand einen anständigen Pulsschlag in seinem Handgelenk.
»Sollen wir ihn ins Haus tragen? Oder meint Ihr, ich soll eine brennende Feder holen? Oder den Ammoniakgeist aus dem Sprechzimmer? Oder Brandy?« Lizzie erinnerte mich an eine ängstliche Hummel, die auf der Stelle schwebt, bereit, in jede beliebige Richtung davonzufliegen.
»Nein, ich glaube, er kommt schon wieder zu sich.« Die meisten Ohnmachtsanfälle dauerten nur ein paar Sekunden, und ich konnte sehen, wie sich seine Brust hob, weil sich seine Atmung vertiefte.
»Ein Schluck Brandy wär nicht verkehrt«, murmelte er, und seine Augenlider begannen zu flattern.
Ich nickte Lizzie zu. Sie ließ ihren Löffel im Gras liegen und verschwand im Haus.
»Ihr fühlt Euch wohl ein wenig schlapp, wie?«, erkundigte ich mich mitfühlend. Seine Armverletzung war nicht mehr als ein Kratzer, und ich hatte ihm mit Sicherheit nichts angetan – zumindest nicht körperlich –, das einen Schockzustand gerechtfertigt hätte. Was stimmte hier nicht?
»Weiß nicht, Ma’am.« Er versuchte, sich aufzusetzen, und da er zwar leichenblass war, ihm aber ansonsten nichts zu fehlen schien, ließ ich ihn gewähren. »Es ist nur, ab und zu sehe ich diese Flecken, die wie ein Bienenschwarm um mich herumschwirren, und dann wird alles schwarz.«
»Ab und zu? Das war nicht das erste Mal?«, fragte ich scharf.
»Ja, M’m.« Sein Kopf wackelte wie eine Sonnenblume im Wind, und ich schob ihm eine Hand unter die Achsel, bevor er wieder umfiel. »Seine Lordschaft hoffte, Ihr wüsstet etwas, damit es aufhört.«
»Seine Lord– oh, er wusste von den Ohnmachtsanfällen?« Nun, natürlich wusste er das, wenn Bobby regelmäßig vor seiner Nase in Ohnmacht fiel.
Er nickte und holte tief und keuchend Luft.
»Doktor Potts hat mich zur Ader gelassen, zweimal die Woche, aber es schien nicht zu helfen.«
»Wohl kaum. Ich hoffe, er war Euch bei Euren Hämorrhoiden eine größere Hilfe«, merkte ich trocken an.
Ein zarter Hauch von Rosa – der arme Junge hatte ja kaum genug Blut, um anständig rot zu werden – stieg in seinen Wangen auf, und er wandte den Blick ab und heftete ihn auf den Löffel.
»Äh … ich … äh …
»Nicht?« Das überraschte mich. »Aber –«
»Wisst Ihr, es war nur der Ritt. Aus Virginia.« Der rosafarbene Fleck wuchs. »Ich hätte es mir nicht anmerken lassen, aber nach einer Woche auf diesem verdammten Pferd – bitte um Verzeihung, Ma’am – hatte ich solche Schmerzen … ich hätte es nicht verheimlichen können.«
»Dann wusste Lord John auch nichts davon?«
Er schüttelte heftig den Kopf, so dass ihm die zerzausten Locken wieder in die Stirn fielen. Ich ärgerte mich fürchterlich – über mich selbst, weil ich Lord Johns Beweggründe offensichtlich falsch eingeschätzt hatte, und über Lord John, weil ich mir seinetwegen jetzt wie ein Idiot vorkam.
»Nun denn … fühlt Ihr Euch jetzt ein wenig besser?« Lizzie kam einfach nicht mit dem Brandy, und ich fragte mich kurz, wo sie war. Bobby war immer noch sehr blass, nickte aber tapfer und kämpfte sich auf die Beine hoch. Dann stand er schwankend und blinzelnd da und versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Das »M«-Brandzeichen auf seiner Wange zeichnete sich in aggressivem Rot auf seiner blassen Haut ab.
Durch Bobbys Ohnmacht abgelenkt, hatte ich nicht auf die Geräusche geachtet, die von der anderen Seite des Hauses kamen. Jetzt jedoch wurde ich mir des Klangs von Stimmen und herannahenden Schritten bewusst.
Jamie und die beiden Browns kamen um die Ecke des Hauses gebogen. Als sie uns sahen, blieben sie stehen. Jamies Stirn war leicht gerunzelt gewesen; jetzt nahm das Stirnrunzeln zu. Die Browns schienen dagegen von einer merkwürdigen, wenn auch grimmigen Heiterkeit erfüllt zu sein.
»Dann ist es also wahr.« Richard Brown sah Bobby Higgins scharf an, dann wandte er sich an Jamie. »Ihr beherbergt einen Mörder!«
»Ach ja?« Jamie war höflich, aber eiskalt. »Ich hatte ja keine Ahnung.« Er verbeugte sich nach bester französischer Hofmanier vor Bobby Higgins, dann richtete er sich auf und wies auf die Browns. »Mr. Higgins, darf ich Euch Mr. Richard Brown und Mr. Lionel Brown vorstellen. Meine Herren – mein Gast, Mr. Higgins.« Er sprach die Worte »mein Gast« mit einer besonderen Betonung aus, woraufhin Richard Brown seinen schmalen Mund so fest zusammenpresste, dass er beinahe unsichtbar wurde.
»Hütet Euch, Fraser«, sagte er und starrte Bobby dabei an, als wollte er ihn davor warnen, sich in Luft aufzulösen. »Den falschen Umgang zu hegen, kann heutzutage gefährlich sein.«