«Die Sparsamkeit mit sprachlichem Material, dem Sprecher äusserst bequem, ist ein Verkehrshindernis. Das Innehalten in einem begonnenen Satz Aposiopese genannt, das sich daraus erklärt, dass dem Sprecher der Rest des Satzes selbstverständlich ist, sollte also überhaupt aus dem Dialog verbannt sein, da das dem A Selbstverständliche es nicht auch für den В ist. Trotzdem kommt es sehr häufig vor, da 1) die Situation selbst die notwendige Ergänzung in eindeutiger Weise an die Hand gibt oder 2) die sprachliche Form des ausgesprochenen Satzstückes selbst auf die sprachliche Form des zu Ergänzenden hinlenkt oder endlich 3) da die Sprache gewisse feste elliptische Formen ausgebildet hat, die entweder sofort vom Sprach-bewusstsein schon keine ergänzt werden, oder in denen das Sprach-bewusstsein schon keine ergänzungsbedürftige, sondern eine in sich abgeschlossene Form findet. Meist ist die Aposiopese, also das willentliche Verschweigen des Satzrestes, nicht von der Unterbrechung durch den Partner, also dessen In-die-Rede-Fallen und Selbstergänzen, zu unterscheiden, da ja der einen fragmentarischen Satz Sprechende meist durch einen Blick auf den Partner sich überzeugt, ob dieser schon bei dem bisher Ausgesprochenen den Tenor der Rede verstanden hat — was nun den Hörer ermutigt, seine Eingeweihtheit in die Gedanken des Sprechers dadurch zu bekunden, dass er ihm in die Rede fällt und selbst «frei nach» dem Sprecher, die Ergänzung vornimmt. Ob nun diese Ermutigung des Hörers durch den Sprecher stattfinden oder nicht, lässt sich nicht aus dem Wortlaut des Gesprochenen, sondern nur aus Intonation und Geste entnehmen, daher ich im folgenden zwischen Aposiopese und Unterbrechung nicht scheide. Das Ineinander vom Redeabbruch des A und Redefortführung durch den В zeigt so recht das Herüber und Hinüber der Konversation, in der das Dein und das Mein weder im Gedanklichen noch in dessen sprachlichen Ausdruck zu sondern ist. Die Rede des A und die Rede des В greifen wie Zahnräder ineinander ein» (Стр. 134–135).
«Wir haben schon öfter darauf hingewiesen, wie Rede und Gegenrede gewissermassen einen einheitlichen Ganzen bilden, ineinander überzugehen, einander zu ergänzen trachten wie z. B. der Partner dem Sprecher das Wort aus dem Mund nahm und in dessen sprachlicher Form seine eigene Rede auf und aus dem sprachlicher Material des Partners aufszubauen, nur eine spezielle Erscheinungsform der im frühren Abschnitt behandelten Sparsamkeit im sprachlichen Ausdruck: man sucht die sprachlichen Blocke des Nebenmenschen lieber für sich zurechtzuzimmern als neue herbeizuschaffen und neu zu bearbeiten. Bei dem Austausch von Rede und Gegenrede ist nicht die Grosse, sondern im Gegenteil die Kleinheit des «Umsatzes» von Bedeutung» (Стр. 175).
[ «Mit der Übernahme eines Stuckes der Partnerrede vollziet sich schon an und für sich durch den Wechsel der Sprechenden Individuen eine Transposition der Tonart: die Worte «des andern» klingen in unserem Mund immer fremd, ja sehr leicht höhnisch, karikiert, fratzenhaft…»] (Стр. 175).
[ «Hier möchte ich die leicht scherzhafte oder scharf ironische Wiederholung des Verbs der Frage in der darauffolgenden Antwort anführen. Man kann dabei beobachten, dass man nicht nur zu sprachlich möglichen sondern auch zu kühnen, ja eigentlich undenkbaren Konstruktionen greift — nur um ein Stück der Partnerrede «anzubringen» und ironisch zeichnen zu können»] (Стр. 176).
«Goethe sagt (Briefe, hrsg. Strehlke II 18): «Zustand ist ein albernes Wort, weil nichts steht und alles beweglich ist». Die Situation ist nicht Festes, sondern eine ewig wechselende im Augenblick des Sprechens vorhandene, mit dem Aussprechen jedes Satzes sich wandelnde Konstellation, etwas, das stets da ist, aber nie da bleibt. Die Situation ist der Inbegriff all jener durch Person und persönliche Schicksale, äussere Umstände, aber auch die Rede selbst gegebener Momente, die im Augenblick des Sprechens lebendig, es bestimmt Inhalt und Form der Rede und auch das Schweigen. Das Gefühl für die Situation — man nennt es mit etwas moralisierenden Beigeschmack Takt — kann aber im Augenblick des Sprechens, wenn auch nicht schwinden, so schwächer werden und so schwankt die Rede hin und her zwischen grosserer und geringerer Berücksichtigung dieser Grundlage und zugleich Resultante der Rede: der Situation» (Стр. 191).
«Marg. Hamburger, Vom Organismus der Sprache, S. 81 spricht von einem «Fluidum» zwischen Hörer und Sprecher, das Situation und Partner ineinander schweisst, und zitiert ein schönes Wort Kleists: «Nicht wir wissen etwas, es ist ein gewisser Zustand unserer, der weiss» (Стр. 191–192).
«Dasselbe Bild konnte man aus meinen Büchern «Italienischen Kriegsgefangenenbriefen» und «Die Umschreibungen des Begriffes «Hunger» im Italienischen» entnehmen» (Стр. 291).