Das Gerichtsverfahren gegen ihn verlief ohne große Schwierigkeiten. Der Verbrecher hielt seine Aussage bestimmt und klar aufrecht, ohne die Umstände zu verwickeln, ohne sie zu seinen Gunsten zu mildern, ohne die Tatsachen zu entstellen und ohne auch die geringste Einzelheit zu verschweigen. Er beschrieb bis zum letzten Detail den ganzen Vorgang des Mordes, erklärte das Geheimnis des »Pfandes« (des Holzbrettchens mit der Metallplatte), das man in den Händen der ermordeten Alten gefunden hatte; erzählte genau, wie er die Schlüssel von der Ermordeten genommen hatte, beschrieb diese Schlüssel, beschrieb auch die Truhe und womit sie angefüllt war; er erklärte das Rätsel der Ermordung Lisawetas; erzählte, wie Koch gekommen war und geklopft hatte und nach ihm der Student erschienen war, und gab alles wieder, was sie miteinander gesprochen hatten; erzählte, wie er, der Verbrecher, nachher die Treppe hinuntergelaufen war und das Geschrei von Mikolka und Mitjka gehört hatte; wie er sich in der leeren Wohnung versteckt hatte und dann nach Hause gekommen war; schließlich gab er den Stein auf dem Hofe auf dem Wosnessenskij-Prospekt hinter dem Tore an, unter dem man später die Sachen und den Beutel auch wirklich fand. Mit einem Wort: die Sache war vollkommen klar. Die Untersuchungsbeamten und die Richter waren unter anderem sehr darüber erstaunt, daß er den Beutel und die Sachen unter dem Stein versteckt hatte, ohne von ihnen Gebrauch zu machen, besonders aber darüber, daß er sich nicht nur aller Gegenstände, die er geraubt hatte, nicht erinnerte, sondern sich sogar in ihrer Zahl irrte. Der Umstand, daß er kein einzigesmal den Beutel geöffnet hatte und nicht einmal wußte, wieviel Geld er enthielt, erschien ganz unglaubwürdig. Im Beutel fand man dreihundertsiebzehn Rubel in Banknoten und drei Zwanzigkopekenstücke; von dem langen Liegen unter dem Stein hatten einige zu oberst liegende Scheine, es waren gerade die größeren, sehr gelitten. Lange mühte man sich ab, zu erfahren, warum der Angeklagte gerade in diesem einen Punkte log, während er in allen übrigen Dingen freiwillig und aufrichtig gestand. Schließlich gaben einige (besonders die Psychologen) die Möglichkeit zu, daß er in den Beutel wirklich nicht hineingeschaut hatte und darum auch nicht wußte, was er enthielt; ohne es zu wissen, hätte er den Beutel unter dem Steine versteckt; daraus schloß man aber auch, daß das Verbrechen nur im Zustande einer gewissen vorübergehenden Unzurechnungsfähigkeit verübt werden konnte, sozusagen einer krankhaften Monomanie, zu morden und zu rauben, ohne weitere Absichten auf Bereicherung. Sehr gelegen kam die neueste Theorie von vorübergehender Geistesstörung, die man heutzutage so oft auf manche Verbrecher anzuwenden versucht. Zudem wurde der seit langem datierende hypochondrische Zustand Raskolnikows genau von vielen Zeugen bestätigt – vom Arzte Sossimow, von seinen früheren Kollegen, seiner Wirtin und dem Dienstmädchen. Das alles unterstützte außerordentlich die Annahme, daß Raskolnikow einem gewöhnlichen Mörder, Räuber und Diebe gar nicht ähnlich sehe und daß hier etwas anderes vorliegen müsse. Aber zum größten Verdruß derer, die diese Ansicht vertraten, machte der Verbrecher selbst fast keine Versuche, sich zu verteidigen; auf die endgültigen Fragen, was ihn zum Morde habe bewegen können und was ihn zum Raube verleitet habe, antwortete er sehr klar mit der rohesten Genauigkeit, daß die Ursache davon seine schlechte Lage, seine Armut und Hilflosigkeit gewesen seien, der Wunsch, die ersten Schritte seiner Lebensbahn mit Hilfe der mindestens dreitausend Rubel zu sichern, die er bei der Ermordeten zu finden hoffte. Zum Morde habe er sich aber infolge seines leichtsinnigen und kleinmütigen Charakters entschlossen, der überdies durch Entbehrungen und Mißerfolge gereizt war. Auf die Frage, was ihn veranlaßt habe, mit einem Geständnis zu kommen, antwortete er unumwunden, daß es aufrichtige Reue gewesen sei. Das alles klang schon beinahe roh ...