Fletcher beobachtete ihn zwar dabei, sagte aber nichts, denn der Captain konzentrierte sich wiederum voll und ganz auf die Fingerspitzen. Conway machte sich jetzt an der gegenüberliegenden Korridorwand an die Arbeit und reduzierte zur Erhöhung der Geschwindigkeit die Größe der Versuchslöcher. Als er vier weit auseinanderliegende faustgroße Öffnungen geschweißt hatte, ohne auf etwas anderes als die pulverige Substanz zu stoßen, funkte er Murchison an.
„Wir finden hier große Mengen eines groben schwarzen Pulvers, dessen schwacher Geruch auf eine organische oder wenigstens zum Teil organische Zusammensetzung schließen läßt“, berichtete er ihr. „Es könnte sich um eine Nährbodenart handeln. Paßt das zum physiologischen Profil der Besatzung?“
„Und ob das paßt“, bestätigte Murchison prompt. „Von meiner Voruntersuchung der beiden kleinen Leichen her würde ich sagen, daß die Schiffsatmosphäre überhaupt nur für die größere FSOJ-Lebensform gedacht ist. Die blinden Aliens besitzen nämlich an sich gar keine Lungen, sondern sind sogenannte Wühler, die die organischen Bestandteile ihrer Erde und jede zufällig vorhandene Pflanze oder tierisches Gewebe umwandeln. Sie nehmen den Boden durch die große, vorn liegende Mundöffnung auf. Die größere Oberlippe kann jedoch zum Verschließen des Munds bei einem eventuell erforderlichen Graben ohne Nahrungsaufnahme über die Unterlippe geschoben werden. Die Glieder oder, genauer gesagt, die beweglichen Ballen zur Fortbewegung an der Unterseite des Körpers sind verkümmert. Dagegen sind die Fühler an der Körperoberseite überempfindlich. Demnach ist die Zivilisation dieser Wesen wahrscheinlich so weit entwickelt, daß sie in künstlich gebauten Tunnelsystemen mit leicht zugänglichen Nahrungsvorräten leben, nach denen sie also nicht erst graben müssen. Die von dir beschriebene Substanz könnte besonders locker verstauter Nährboden sein, der gleichzeitig zur körperlichen Bewegung und zur Nahrungsversorgung des Schiffs dient.“
„Aha“, antwortete Conway.
Also ein blinder, grabender Wurm, der es irgendwie geschafft hat, nach den Sternen zu greifen, dachte er. Doch die folgenden Ausführungen von Murchison erinnerten ihn daran, daß die blinden Aliens nicht nur große und ruhmreiche, sondern auch scheinbar unbedeutende und grausame Taten vollbringen konnten.
„Und was die Überlebenden betrifft“, fuhr sie fort, „Sollte sich das FSOJ-Versuchstier, oder was es auch immer ist, zu nah beim überlebenden Besatzungsmitglied befinden, so daß wir ohne Gefahr für uns selbst oder den blinden Alien nicht beide retten können, dann würde eine starke Reduzierung des atmosphärischen Drucks den FSOJ außer Gefecht setzen oder, noch wahrscheinlicher, sogar töten. Der Druck muß dann allerdings langsam und gleichmäßig reduziert werden, um Dekompressionsschäden am Zellgewebe des blinden Aliens zu vermeiden.“
„Das wäre das letzte, was wir versuchen würden“, entgegnete Conway fest. Für Erstkontaktsituationen wie diese gab es äußerst strenge Regeln.
Schließlich konnte man sich nie absolut sicher sein, ob ein scheinbar unvernünftiges und wildes Tier auch wirklich ein zu keiner Empfindung fähiges Geschöpf war.
„Ich weiß, ich weiß“, erwiderte Murchison. „Es interessiert dich bestimmt auch, daß sich der FSOJ in einem fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadium befunden hat. Und das ist eine Zeit, in der die meisten Lebensformen, ganz unabhängig von ihrem Intelligenzgrad, schon bei der Annahme, ihr Ungeborenes könnte bedroht sein, übermäßig besorgt, emotional und aggressiv reagieren. Das ist vielleicht auch der Grund für den Ausbruch des FSOJs aus dem Käfig. Außerdem hätte ihn der blinde Alien gar nicht mit dem Horn töten können, wenn die Unterseite des FSOJ-Körpers nicht schon zur Vorbereitung auf die kurz bevorstehende Geburt stellenweise geschwächt gewesen wäre…“
„Wenn man an den Zustand der weiblichen FSOJ denkt“, unterbrach Conway sie, „und an die ganzen Schläge und Stöße, die sie in…“
„Ich hab nichts von einem Weibchen gesagt, obwohl das gut sein könnte“, unterbrach ihn Murchison. „Diese Lebensform ist in vieler Hinsicht viel interessanter als die blinden Aliens.“
„Spar dir deine geistige Energie lieber für die mit Sicherheit intelligenten Wesen auf“, raunzte Conway sie an. Einen Augenblick lang herrschte ein nur vom Hintergrundrauschen des Anzugfunks unterbrochenes Schweigen, dann bat er entschuldigend: „Beachte mich bitte einfach gar nicht, ich hab furchtbare Kopfschmerzen.“
„Ich auch“, sagte der auf dem Boden liegende Captain. „Meiner Vermutung nach kommt das vom Lärm und den Auswirkungen der Unterschallvibrationen von diesen ganzen laufenden Mechanismen hier.
Wenn er nur halb so schlimme Kopfschmerzen hat wie ich, dann können Sie ihm getrost verzeihen, Murchison. Und falls Sie für unsere Rückkehr zum Schiff irgendein wirksames Medikament bereithalten könnten, wäre ich Ihnen sehr…“