Kath eilte den Pfad hinauf, um ihn zu begrüßen. Als Scott sich hinabbeugte, um sie hochzuheben, warf sie sich in seine Arme. Ihr Körper fühlte sich klitschnass und kalt an. Dann gab sie ihm einen herzhaften Kuss und umschlang seinen Nacken mit ihren kräftigen, braun gebrannten Armen: »Haste mein Geschenk gekriegt?«
»Ja, hab ich, und es war allerliebst«, sagte Scott. Das, was er da ausgepackt hatte, war ein bunter, klumpiger Lehmmann mit Glotzaugen, einem Schweinerüssel, hochstehenden Haaren und einem breit grinsenden Mund mit Hasenzähnen.
Als originell konnte man dieses Geschenk vielleicht bezeichnen, aber ganz bestimmt nicht als allerliebst »Und du meinst wirklich, er sieht mir ähnlich?«
»Sei nicht albern, Dad. Ich hab ihn mir doch ausgedacht Aber wo du's jetzt selbst erwähnst...«
Kath lachte und Scott setzte sie wieder auf dem Boden ab.
»Gehst du schwimmen?«, fragte sie und deutete auf sein Handtuch.
»Ich bin mir noch nicht sicher. Kennst du jemanden, der mir vielleicht Gesellschaft leisten wurde?« Er stellte fest, dass Kaths Freundin Lita verschwunden war.
»Vielleicht«, sagte Kath kokett.
Scott lief bis zum Ende des Anlegestegs und bückte sich, um sein Handtuch dort abzulegen. Als er sich wieder aufrichtete, gruben sich zwei starke, kleine Hände in seinen Allerwertesten und versetzten ihm einen solchen Stoß, dass er Hals über Kopf in den kühlen blauen Sees stürzte. Als er wieder auftauchte, jetzt hellwach, schoss Kath über ihn hinweg und landete mit einer Arschbombe direkt hinter ihm. Scott tat so, als würde er sie verfolgen, worauf Kath die Leiter hochkletterte und ihn unter spielerischem Gekreische mit Wasser bespritzte. Er stieg hinter ihr her und setzte sich neben sie auf den Anlegesteg.
»Hast du einen Kater?«, fragte sie mit erwachsen klingender Stimme.
»Nur einen klein...«, erwiderte Scott und hielt mitten im Satz inne: Mit weit aufgerissenen Augen starrte Kath entsetzt auf ihr Handgelenk. »Was ist, Kleines? Was ist los?« In seiner Fantasie machten sich bereits Heerscharen von Blutegeln über seine Tochter her.
»Mein Armband! Ich habe mein Armband verloren!« Sie wandte den Blick zum Wasser. »Es muss bei meiner Wasserlandung abgefallen sein. Oh Daddy, was soll ich jetzt nur tun?« Sie war den Tränen nahe.
Im Juni hatte Scott ihr zum Geburtstag ein schlichtes Silberarmband geschenkt, und Kath hatte es seitdem mit fast religiöser Ehrfurcht getragen. Nun war dort, wo das Armband gesessen hatte, nur noch ein dünner, weißer Streifen zu sehen.
»Kannst du es für mich zurückholen, Daddy? Bitte!« Die Augen mit den Händen abschirmend, blinzelte Scott argwöhnisch in die trüben, von Algen durchwucherten Tiefen. Tatsächlich meinte er dort unten, ungefähr zwei bis drei Meter vom Steg entfernt, irgendetwas schwach glitzern zu sehen.
»Wir werden es finden, Süße. Bleib ganz ruhig. Wie wär's, wenn du ins Fernsehzimmer läufst und nach Daddys Tauchmaske suchst? Sie müsste in der Krempelkiste neben der Werkbank liegen.«
Im Nu und mit wilder Entschlossenheit schossen Kaths braun gebrannte Beine den Hügel hinauf. Binnen einer Minute war sie keuchend mit der schwarzen Tauchmaske in den Händen zurück.
»Hier.« Sie reichte ihm die Maske herüber. »Kannst du mein Armband sehen?«
»Ich glaub schon«, sagte Scott, während er sich die Maske überstreifte. »Mach dir keine Sorgen.«
Er stellte sich an den Rand des Anlegestegs, atmete in kurzen, kräftigen Zügen ein und aus und schätzte die Fallkurve beim Springen ab. Immer noch konnte er irgendetwas Silbernes so schwach wie einen Stern am bewölkten Himmel in den schlammigen Tiefen glitzern sehen. Der See wurde hier schnell tief; nur ein kleines Stück vom Steg ging es bereits vier bis fünf Meter hinunter - das war einer der Gründe, warum er froh war, dass seine beiden Frauen so gute Schwimmerinnen waren.
Nachdem er noch einmal tief Luft geholt hatte, sprang er los. Schon sank er, gefolgt von sprudelnden Luftblasen, tiefer und tiefer. Dichtes Seegras reckte sich ihm mit hin und her wogenden Fingern entgegen. Der Körperkontakt mit den langen, durchsichtigen Fasern war so unangenehm, dass es ihn schauderte. Das Wasser war kühler hier unten, fast eisig kalt.
Scott sah sich näher um und entdeckte schon bald das Armband. Es war in einem Büschel von Algen gelandet, die einen großen Felsblock überzogen. Wie würde Kath ihn loben! Voller Vorfreude schnappte Scott schnell nach der silbernen Schlinge und stieß sich kräftig mit den Füßen ab, um Schwung für seinen Aufstieg zu holen.
Die Erleuchtung kam ihm, als er wieder in die oberen wärmeren Wasserschichten gelangte - und dieses Aha-Erlebnis traf ihn mit solcher Wucht, dass die Gedanken ein fast hörbares Klicken in seinem Kopf verursachten.
Die Unterseite der Anlegestelle sah genauso aus wie die kuriose Bleistiftzeichnung! Jene, die dieses durchdringende Deja-vu-Gefühl in ihm hervorgerufen hatte. Der senile, alte Künstler hatte die Unterseite