Während sich weitere Algen um seine Brust, seine Arme, seine Beine schlangen, blieb Scott fassungslos und wie erstarrt stehen. Die kalte Unterströmung wurde noch kälter. Er zerrte nochmals an seinem eingeklemmten Bein, versuchte, irgendwie die Selbstbeherrschung zu bewahren. Noch war er nicht bereit, sich den Ernst der Lage einzugestehen. Er versuchte es mit dem anderen Fuß, drehte und zog, aber es war vergeblich. Sein Bein rührte sich nicht von der Stelle.
Und schließlich dämmerte ihm, wie ausweglos seine Lage war, und ihn packte das Entsetzen.
Seine Hand ließ die Kamera los, die, sich immer wieder überschlagend, an die Oberfläche stieg. Wie im Totentanz wiegten sich Tentakeln aus Seegras in der Unterströmung hin und her ... berührten ihn, streiften ihn, wanden sich um ihn.
Hinter der Tauchermaske wurden Scotts Augen immer größer.
Der Drang nach Luft machte ihm den Hals so eng, als drücke ihm jemand die Kehle zu. Er kniete sich nieder, suchte nach einer Art Hebelkraft, umfasste sein Bein mit den Händen und stemmte es mit aller Kraft gegen den Untergrund, bis seine Muskeln sich verkrampften.
Aber er konnte sein Bein nicht befreien. Es war wie angewachsen, die Steine hielten es fest. Wieder zerrte er daran, bis die Anstrengung wie Feuer in seinen Sehnen brannte. Da, endlich gewann er einige Zentimeter, so dass er sein Bein bis zur Hälfte der Wade befreien konnte — wenn auch auf Kosten einiger sich ablösender Hautfetzen.
Scott spürte eine Welle der Erleichterung. Nur noch einmal kräftig ziehen und dann würde er frei sein ...
Doch sein nächster Ruck bewirkte überhaupt nichts, im Gegenteil: Der Stein verlagerte sich erneut und presste sich noch fester gegen die Mauer aus Felsblöcken.
Der Drang nach Luft wurde zunehmend körperlich spürbar - unmöglich, dagegen anzugehen. Scott war klar, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis er seinen Rachen zwangsläufig aufreißen und das Seewasser einatmen würde.
Dunkelheit legte sich um ihn und trübte sein Sichtfeld. Mitten in dieser Dunkelheit stieg ein grausames Bild in ihm auf: Er sah die abgekauten Gliedmaßen eines Tieres vor sich, das sich in einer Falle wand. Erneut schob sich Scott vor und zurück - nicht nur, weil er sich vom Seegrund lösen wollte, sondern auch, weil er dieses Bild loswerden wollte. Er lehnte sich gegen die Felsbrocken, benutzte die Ferse als Keil und drückte sich mit Macht dagegen. Aber der Fels war zu glatt, sein Fuß rutschte abermals ab, wobei er sich den Ballen stieß. Er versuchte es noch einmal, ohne den geringsten Erfolg.
Vor Angst wie gelähmt, starr vor Schreck, hing er regungslos dort unten im Wasser. Und wieder bahnte sich Luft aus seinen Lungen den Weg nach draußen, stieg in kleinen Blasen an die Oberfläche. Vergeudete Luft.
Plötzlich war es so, als breche ein innerer Damm, als durchströme ihn heiße, unbändige Wut. Scott nahm den Kampf auf, tanzte wie wild herum, fuchtelte mit den Armen, als seien sie Windräder, grub seinen Fuß fest in den Grund des Sees, der ihn dort unten in seinen Klauen hielt. Und erzeugte durch seinen verrückten Tanz nichts als Schlammwirbel, die ihm jede Sicht nahmen, und Atemnot, die ihm die Brust heftig zusammenpresste. Jeder Muskel verlangte, dass er den Mund aufriss und seine Lungen Sauerstoff einatmeten! Benommen sah er zur Oberfläche hinauf, zum Licht, zur Luft ... so verdammt nah! Und er kämpfte weiter, so dass er den Rest seiner Kräfte und seiner kostbaren Sauerstoffreserve verbrauchte.
Egal, was er tat, es war sinnlos. Er saß fest wie ein Fisch im Netz. Durch seine wilden Verrenkungen hatten sich die Algen nur noch fester um ihn geschlungen.
Ein weiterer Luftstoß entwich seiner Brust, die sich wie ein Schraubstock immer weiter verengte.
Scott Bowman dachte an seinen Tod. Nur knapp vier Meter unter seinem eigenen Anlegesteg würde er gleich ertrinken.