Der Wagen
Er wollte zu dem Augenblick zurückkehren, in dem das Kätzchen aufgetaucht war. Diesmal würde er das dumme Ding einfach überrollen und weiterfahren, ohne einen einzigen Blick zurückzuwerfen. Satzfetzen schossen ihm durch den Kopf, verzweifelt gestammelte Gebete, die sich an irgendeinen Gott richteten, ob christlich, heidnisch oder was auch immer; Hauptsache, dieser Gott erhörte seine Bitten.
Scott zitterte wie in Krämpfen, jede Faser seines Körpers brannte vor purem Entsetzen. Als er mit den Fingern sein Kinn betastete, stieß er auf Blut, sein eigenes Blut. Es rann aus einer erbsengroßen Wunde. Offenbar hatte ihn eine Salve herumfliegender Glasscherben erwischt.
»Fass sie nicht an«, sagte Brian in die morgendliche Stille hinein. »Du könntest ihre Wirbelsäule verletzen.«
»Sie ist tot, du Arschloch«, bemerkte Jake kalt.
Beim Klang von Jakes Stimme sah Scott auf. Sein Herz tat einen Sprung.
Jakes Augen - normalerweise von einem sanften, blassen Grün - wirkten jetzt so, als erhellten sie mit ihrem bernsteinfarbenen Glanz die Straße, während er sie in beide Richtungen schweifen ließ und den Blick anschließend dem angrenzenden Wald zuwandte. Er stand mit vorgezogenen Schultern da, den Kopf grübelnd zur Seite geneigt. Einen Augenblick lang tauchte vor Scott das Bild einer angespannten Wildkatze auf, die Gefahr riecht und sich bereitmacht, ihrem Opfer den Bauch aufzuschlitzen.
In diesem Moment wurde Scott jeder einzelne Gedanke seines Freundes bewusst. Weil er die gleichen Gedanken hatte.
Brian Horners riesiger Körper zeichnete sich gegen den indigoblauen Himmel ab. Er schwankte hin und her, starrte wie benommen auf das Kind und begann gleich darauf zu wimmern. Erst jetzt wurde ihm nach und nach klar, was geschehen war.
Als Scott sich wieder der Kleinen zuwandte, merkte er, dass sie ein Albino war. Das erklärte die geisterhafte Blässe, das schneeweiße Haar ... und diese Augen! Ihnen fehlte jedes Pigment, deshalb hatten sie das Scheinwerferlicht rot reflektiert.
Rot war auch ihr Blut, das zähflüssig und warm an seiner Hand klebte. Inzwischen hatte sich eine Pfütze aus Blut gebildet, die ihren zerschmetterten Schädel wie ein gotteslästerlicher Heiligenschein umrahmte.
Die Welt stand Kopf. Die Dunkelheit, die schon auf dem Rückzug gewesen war, kehrte plötzlich wieder und breitete sich in Scotts Blickfeld wie pechschwarze Tinte aus. Er hörte eine barsche, vorwurfsvolle Stimme — Jakes Stimme. Dann gruben sich klauenartige Finger in seine Schulter. Aber die Stimme klang wie sehr weit weg und hohl, als dringe sie vom Grunde eines dunklen, leeren Brunnens zu ihm empor.
Und jetzt stürzte er in diesen Brunnen hinab ... tiefer und tiefer ... Immer schneller drehte sich die Spirale.
Auf dem Grund wartete das weiße Gesicht des Kindes auf ihn.
Und Augen, die wie Feuer brannten.