Die Stunden dauerten unglaublich lange; endlich schlug es vier. Gleich darauf standen alle auf und begaben sich, dem Vorgange ihres Vorgesetzten folgend, zu sich nach Hause. Herr Goljadkin mischte sich unter den Schwarm; seine Augen waren wachsam und ließen denjenigen, auf den er es abgesehen hatte, nicht aus der Acht. Endlich sah unser Held, daß sein Freund zu den Kanzleidienern hinlief, die die Mäntel austeilten, und nach seiner häßlichen Gewohnheit in Erwartung des seinigen um sie herumschwänzelte. Dies war der entscheidende Augenblick. Herr Goljadkin drängte sich, so gut es ging, durch den Schwarm hindurch und bemühte sich, um nicht zurückzubleiben, ebenfalls um seinen Mantel. Aber dem Freunde des Herrn Goljadkin wurde der seinige zuerst gereicht, weil er es auch hier fertig brachte, in seiner Weise sich einzuschmeicheln, den Liebenswürdigen zu spielen, verbindlich zu flüstern und sich unwürdig zu benehmen.
Nachdem Herr Goljadkin der jüngere seinen Mantel umgeworfen hatte, sah er Herrn Goljadkin den älteren ironisch an, mit der unverhohlenen, dreisten Absicht, ihn zu ärgern; dann blickte er mit der ihm eigenen Frechheit rings um sich, trippelte zu guter Letzt noch einmal bei den andern Beamten umher, wahrscheinlich um einen vorteilhaften Eindruck zu hinterlassen, sagte dem einen ein freundliches Wort, flüsterte einem andern etwas zu, widmete einem dritten eine Respektsbezeigung, spendierte einem vierten ein Lächeln, gab einem fünften die Hand und schlüpfte vergnügt die Treppe hinunter. Herr Goljadkin der ältere eilte hinter ihm her, holte ihn zu seiner größten Freude noch auf der letzten Stufe ein und faßte ihn am Mantelkragen. Herr Goljadkin der jüngere schien ein wenig zu erschrecken und blickte betroffen rings um sich.
»Wie soll ich das auffassen?« flüsterte er endlich Herrn Goljadkin mit schwacher Stimme zu.
»Mein Herr, wenn Sie überhaupt ein anständiger Mensch sind, so hoffe ich, Sie werden sich an unsere gestrigen freundschaftlichen Beziehungen erinnern,« sagte unser Held.
»Ah, ja! Nun also: haben Sie gut geschlafen?«
Die Wut benahm Herrn Goljadkin dem älteren für einen Augenblick die Sprache. »Ich habe allerdings gut geschlafen... Aber erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, mein Herr, daß Ihr Spiel gründlich verdorben ist...«
»Wer sagt das? Das sagen meine Feinde,« antwortete kurz derjenige, der sich Herr Goljadkin nannte, und befreite sich bei diesen Worten unerwartet aus den schwachen Händen des wirklichen Herrn Goljadkin. Nachdem er sich befreit hatte, eilte er hinaus, blickte um sich, sah eine Droschke, lief zu ihr hin, setzte sich hinein und war im nächsten Augenblicke den Augen Herrn Goljadkins des älteren entschwunden. Verzweifelt und von allen verlassen schaute der Titularrat sich nach allen Seiten um; aber es war keine andere Droschke da. Er machte den Versuch zu laufen; aber die Beine versagten ihm den Dienst. Mit niedergeschlagener Miene und offenem Munde, sich kraftlos zusammenkrümmend, lehnte er sich wie vernichtet an einen Laternenpfahl und blieb so einige Minuten lang auf dem Trottoir stehen. Man konnte glauben, daß es mit Herrn Goljadkin völlig aus sei.
9. Kapitel