Читаем Der Funke Leben полностью

509 kannte eine Anzahl davon. Er wußte, daß die Spitze des Vierecks jetzt gerade einen Namen aus dem Dunkel hob, der mit tiefen Strichen eingerahmt war – Chaim Wolf, 1941. Chaim Wolf hatte ihn wahrscheinlich hineingeschrieben, als er wußte, daß er sterben mußte, und die Striche darum gezogen, damit niemand von seiner Familie hinzukommen sollte. Er hatte es endgültig machen wollen, so daß er allein es war und bleiben würde. Chaim Wolf, 1941, die Striche eng und hart darum, so daß kein anderer Name mehr hineinzuschreiben war – eine letzte Beschwörung des Schicksals, von einem Vater, der hoffte, daß seine Söhne gerettet werden würden. Aber darunter, unter den Strichen, dicht, als wollten sie sich daran klammern, standen zwei andere Namen: Rüben Wolf und Moische Wolf. Der erste steil, ungelenk, eine Schülerschrift; der zweite schräg und glatt, ergeben und ohne Kraft. Eine andere Hand hatte daneben geschrieben: alle vergast. Schräg darunter, über einem Astknoten an der Wand war mit einem Nagel eingeritzt: Jos. Meyer und dazu: Lt.d.R. EK 1 u. 2. Es hieß: Joseph Meyer, Leutnant der Reserve, Inhaber des Eisernen Kreuzes erster und zweiter Klasse. Meyer hatte das anscheinend nicht vergessen können. Es mußte noch seine letzten Tage vergiftet haben. Er war im ersten Weltkrieg an der Front gewesen; er war Offizier geworden und hatte die Auszeichnungen bekommen; er hatte, weil er Jude war, dafür doppelt soviel leisten müssen als jeder andere. Dann hatte man ihn später, ebenfalls weil er Jude war, eingesperrt und wie Ungeziefer vernichtet. Er war zweifellos überzeugt davon gewesen, daß das Unrecht für ihn wegen seiner Leistungen im Kriege größer gewesen sei als für andere. Er hatte sich geirrt. Er war nur schwerer gestorben. Das Unrecht lag nicht in den Buchstaben, die er seinem Namen hinzugefügt hatte. Sie waren nur eine schäbige Ironie. Das Sonnenviereck glitt langsam weiter. Chaim, Rüben und Moische Wolf, die es nur mit der Spitze gestreift hatte, verschwanden wieder im Dunkel. Dafür rückten zwei neue Inschriften ins Licht. Die eine bestand nur aus zwei Buch« Stäben: F. M. Der, der sie mit dem Nagel eingekratzt hatte, hatte nicht mehr so viel auf sich gegeben wie der Leutnant Meyer. Schon sein Name war ihm fast gleichgültig gewesen; trotzdem hatte er nicht ganz ohne ein Zeichen untergehen wollen. Darunter aber erschien wieder ein voller Name. Mit Bleistift hingeschrieben stand da: Tevje Leibesch und die Seinen. Und daneben, flüchtiger, der Anfang des jüdischen Kaddischgebetes: Jis gadal – 509 wußte, daß das Licht in einigen Minuten eine andere verwischte Schrift erreichen würde:»Schreibt Leah Sand – New York.« Die Straße war nicht mehr zu lesen, dann kam:»Vat «und nach einem Stück verfaulten Holzes:»tot. Sucht Leo.« Leo schien entkommen zu sein; doch die Inschrift war umsonst gemacht worden. Keiner der vielen Insassen der Baracke hatte jemals Leah Sanders in New York benachrichtigen können. Niemand war lebend herausgekommen. 509 starrte abwesend auf die Wand. Der Pole Silber hatte sie, als er noch mit blutenden Därmen in der Baracke lag, die Klagemauer genannt. Er hatte auch die meisten Namen auswendig gekannt und im Anfang sogar gewettet, welcher zuerst von dem Sonnenfleck getroffen werden würde. Silber war bald darauf gestorben; die Namen aber waren weiter an hellen Tagen für einige Minuten zu einem geisterhaften Leben erwacht und dann wieder im Dunkel versunken. Im Sommer, wenn die Sonne höher stand, waren andere, die tiefer unten eingekratzt waren, sichtbar geworden, und im Winter rückte das Viereck höher hinauf. Doch es gab noch viele mehr, russische, polnische, jiddische, die für immer unsichtbar blieben, weil das Licht nie bis zu ihnen kam. Die Baracke war so schnell aufgerichtet worden, daß die SS sich nicht darum gekümmert hatte, die Wände abhobeln zu lassen. Die Insassen kümmerten sich noch weniger darum, besonders nicht um die Inschriften an den dunklen Teilen der Wände. Niemand versuchte auch nur, sie zu entziffern. Wer wollte auch schon so töricht sein, ein kostbares Streichholz zu opfern, um noch mehr zu verzweifeln – 509 wandte sich ab; er wollte das jetzt nicht sehen. Er fühlte sich plötzlich auf eine sonderbare Weise allein; als wären die anderen ihm durch etwas Unbekanntes entfremdet worden, und sie verständen sich nicht mehr. Eine Weile zögerte er noch; dann konnte er es nicht mehr aushallen. Er tastete sich zur Tür und kroch wieder hinaus. Er trug jetzt nur seine eigenen Lumpen und fror sofort. Draußen richtete er sich auf, lehnte sich gegen die Wand der Baracke und blickte auf die Stadt. Er wußte nicht genau, warum – aber er wollte nicht wieder wie vorher auf allen vieren hocken; er wollte stehen. Die Posten auf den Wachtürmen des Kleinen Lagers waren noch nicht zurück. Die Aufsicht an dieser Seite war nie sehr streng; wer kaum gehen konnte, entfloh nicht mehr. 509 stand an der rechten Ecke der Baracke. Das Lager verlief in einer Kurve, die dem Höhenzuge folgte, und er konnte von hier nicht nur die Stadt, sondern auch die Kasernen der SS-Mannschaften sehen. Sie lagen außerhalb des Stacheldrahtes hinter einer Reihe von Bäumen, die noch kahl waren. Eine Anzahl von SS-Leuten lief vor ihnen hin und her. Andere standen in aufgeregten Gruppen zusammen und blickten zur Stadt hinunter. Ein großes, graues Automobil kam rasch den Berg herauf. Es hielt vor der Wohnung des Kommandanten, die ein Stück abseits von den Kasernen lag. Neubauer stand bereits draußen; er stieg sofort ein, und der Wagen jagte los. 509 wußte von seiner Zeit im Arbeitslager, daß der Kommandant ein Haus in der Stadt besaß, in dem seine Familie wohnte. Aufmerksam blickte er dem Wagen nach. Dabei überhörte er, daß jemand leise den Mittelweg zwischen den Baracken entlang kam. Es war der Blockälteste von Baracke 22, Handke, ein untersetzter Mann, der immer auf Gummisohlen herumschlich. Er trug den grünen Winkel der Kriminellen. Meistens war er harmlos, aber wenn er seinen Koller kriegte, hatte er schon öfter Leute zu Krüppeln geschlagen. Er schlenderte heran. 509 hätte noch versuchen können, sich wegzudrücken, als er ihn sah -Zeichen von Angst befriedigten gewöhnlich Handkes einfache Überlegenheitsgelüste -, aber er tat es nicht. Er blieb stehen. »Was machst du hier?« »Nichts.« »So, nichts.« Handke spuckte 509 vor die Füße. »Du Mistkäfer! Träumst dir wohl was, wie?« Seine flächsernen Brauen hoben sich. »Bilde dir bloß nichts ein! Ihr kommt hier nicht heraus! Euch politische Hunde jagen sie vorher alle erst noch durch den Schornstein.« Er spuckte wieder aus und ging zurück. 509 hatte den Atem angehalten. Ein dunkler Vorhang wehte eine Sekunde hinter seiner Stirn. Handke konnte ihn nicht leiden, und 509 ging ihm gewöhnlich aus dem Wege. Diesmal war er stehengeblieben. Er beobachtete ihn, bis er hinter der Latrine verschwunden war. Die Drohung schreckte ihn nicht; Drohungen waren alltäglich im Lager. Er dachte nur an das, was dahinter steckte. Handke hatte also auch etwas gespürt. Er hätte es sonst nicht gesagt. Vielleicht hatte er es sogar drüben bei der SS gehört. 509 atmete tief. Er war also doch kein Narr. Er blickte wieder auf die Stadt. Der Rauch lag jetzt dicht über den Dächern. Das Läuten der Feuerwehr klang dünn herauf. Aus der Richtung des Bahnhofs kam unregelmäßiges Knattern, als explodiere dort Munition. Der Wagen des Lagerkommandanten nahm unten am Berge eine Kurve so schnell, daß er rutschte. 509 sah es, und plötzlich verzog sich sein Gesicht. Es verzerrte sich zu einem Lachen. Er lachte, lachte, lautlos, krampfhaft, er wußte nicht, wann er zum letzten Male gelacht hatte, er konnte nicht aufhören, und es war keine Fröhlichkeit darin, er lachte und sah sich vorsichtig um und hob eine kraftlose Faust und ballte sie und lachte, bis ein schwerer Husten ihn niederwarf.

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