»Erschießen werden sie welche«, sagte Ahasver vom Boden her. »Schnauze!« schrie die Stimme von früher aus dem Dunkel. »Haltet doch endlich einmal eure gottverdammten Schnauzen!« 509 hockte auf seinem Platz an der Wand. Über seinem Kopf befand sich eines der wenigen Fenster der Baracke. Es war schmal und hoch angebracht und hatte um diese Zeit etwas Sonne. Das Licht kam dann bis zur dritten Reihe der Bettbretter; von dort an lag der Raum in ständigem Dunkel.
Die Baracke war erst vor einem Jahr errichtet worden. 509 hatte sie aufstellen helfen; er hatte damals noch zum Arbeitslager gehört. Es war eine alte Holzbaracke aus einem aufgelösten Konzentrationslager in Polen. Vier davon waren eines Tages auseinandergenommen auf dem Bahnhof der Stadt angekommen, auf Lastwagen zum Lager geschafft und dort aufgebaut worden.
Sie hatten nach Wanzen, Angst, Schmutz und Tod gestunken. Aus ihnen war das Kleine Lager entstanden. Der nächste Transport arbeitsunfähiger, sterbender Häftlinge aus dem Osten war hineingepfercht und sich selbst überlassen worden. Es hatte nur ein paar Tage gedauert, bis er hinausgeschaufelt werden konnte. Man hatte dann weiter Kranke, Zusammengebrochene, Krüppel und Arbeitsunfähige hineingesteckt, und es war zu einer dauernden Einrichtung geworden. Die Sonne warf ein verschobenes Viereck von Licht auf die Wand rechts vom Fenster. Verblaßte Inschriften und Namen wurden darin sichtbar. Es waren Inschriften und Namen von früheren Insassen der Baracke in Polen und Ostdeutschland. Sie waren mit Bleistift auf das Holz gekritzelt oder mit Drahtstücken und Nägeln hineingeritzt worden.