Der Schlauch begann zu pulsieren. Wasser wurde durch sein Inneres gepumpt. Wasser von weit her. Die hauchdünne Gallerte saugte es aus einem gewaltigen organischen Ballon, der ein Stück über dem Tauchboot hing, angefüllt mit wärmerem Wasser, das die Gallerte dem Schlammvulkan vor Norwegens Küste entnommen hatte. Bedingt durch das warme und damit leichtere Wasser in seinem Innern hätte der Ballon zur Oberfläche emporsteigen müssen, aber sein Körpergewicht hielt ihn in perfekter Schwebe.
Wärme strömte in den Gallertsack, der das Tauchboot umhüllte.
Die weißen Brocken reagierten augenblicklich. Binnen Sekunden schmolzen die Kristallkäfige des Hydrats dahin. Explosionsartig blähte sich das komprimierte Methan zum Einhundertvierundsechzigfachen seines Volumens auf, füllte das
Weaver, Rubin im Klammergriff und die Klinge an seinem Hals, kam nicht mal bis nach draußen. Die Labortür glitt auf. Drei Soldaten mit schwerer Bewaffnung stürmten ins Innere und legten auf sie an. Sie hörte Oliviera einen Entsetzensschrei ausstoßen und blieb stehen, ohne Rubin loszulassen.
Li betrat das Labor, gefolgt von Peak.
»Sie werden nirgendwo hingehen, Karen.«
»Jude«, ächzte Rubin. »Das wurde verdammt nochmal Zeit! Halten Sie mir diese Verrückte vom Leib.«
»Sie sind ganz still«, herrschte ihn Peak an. »Ohne Sie hätten wir diese Probleme nicht.«
Li lächelte. »Mal ehrlich, Karen«, sagte sie in liebenswürdigem Tonfall. »Meinen Sie nicht, dass Sie ein bisschen überreagieren?«
»Angesichts dessen, was Mick so erzählt?« Weaver schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube kaum.«
»Was erzählt er denn so?«
»Oh, Mick war sehr gesprächig. Nicht wahr, Mick? Hast uns alles schön verraten.«
»Sie lügt«, krächzte Rubin.
»Er hat über Kettenreaktionen gesprochen, über Gift in Torpedohülsen und über
»Tz, tz«, machte Li. Sie trat einen Schritt vor. Weaver packte Rubin und zerrte ihn zurück an Olivieras Seite. Die Biologin stand wie erstarrt neben dem Labortisch. Sie hielt immer noch den Phiolenkoffer mit dem Pheromonextrakt in ihren Händen.
»Wissen Sie, Mick Rubin ist vielleicht einer der besten Biologen der Welt, aber er leidet unter Minderwertigkeitsgefühlen«, sagte Li. »Er wäre so gerne berühmt. Die Vorstellung, dass sein Name nicht der Nachwelt überliefert werden könnte, macht ihn wahnsinnig. Das erklärt sein übertriebenes Mitteilungsbedürfnis, aber sehen Sie’s ihm nach. Rubin würde seine Mutter verschachern für ein bisschen Ruhm.« Sie blieb stehen. »Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Da Sie wissen, was wir vorhaben, werden Sie auch die Notwendigkeit dahinter erkennen. Ich habe mein Möglichstes getan, die Sache nicht eskalieren zu lassen, aber da neuerdings alle Bescheid zu wissen scheinen, bleibt mir ja wohl keine Wahl.«
»Nehmen Sie Vernunft an, Karen«, sagte Peak beschwörend. »Lassen Sie ihn frei.«
»Das werde ich nicht tun«, antwortete Weaver.
»Er wird gebraucht. Hinterher können wir über alles reden.«
»Nein, wir reden überhaupt nicht mehr.« Li zog ihre Waffe und richtete sie auf Weaver. »Freilassen, Karen. Auf der Stelle, oder ich knalle Sie ab. Das ist mein letztes Wort.«
Weaver blickte in die kleine, schwarze Öffnung der Pistole.
»So weit gehen Sie nicht«, sagte sie.
»Ach nein?«
»Es gibt keinen Grund, so etwas zu tun.«
»Sie machen einen Fehler, Jude«, sagte Oliviera heiser. »Sie dürfen dieses Gift nicht einsetzen. Ich habe Mick bereits erklärt, dass …«
Li schwenkte die Waffe, richtete sie auf Oliviera und drückte ab. Die Biologin wurde gegen den Labortisch geschleudert und rutschte daran hinunter. Der Phiolenkoffer entglitt ihren Händen. Eine Sekunde lang starrte sie mit fragendem Blick auf das faustgroße Loch in ihrer Brust, dann wurden ihre Augen glasig.
»Nein!«, schrie Peak. »Um Gottes willen,
Die Waffe ruhte wieder auf Weaver.
»Freilassen«, sagte Li.
»Dr. Johanson!«
Johanson drehte sich um. Er sah Vanderbilt und Anderson über die Plattform näher kommen. Anderson wirkte stoisch und unbeteiligt, die schwarzen Knopfaugen auf irgendeinen Punkt geheftet, während Vanderbilt breit grinste.
»Sie müssen wütend auf uns sein«, sagte er.
Die Art, wie er sich näherte und grinste, hatte etwas behäbig Kumpelhaftes. Johanson sah den beiden stirnrunzelnd entgegen. Er stand am Ende der Plattform, wenige Meter von der Kante entfernt. Heftige Böen klatschten ihm ins Gesicht. Unter ihm hoben sich die Wellen. Eben hatte er wieder ins Innere gehen wollen.
»Was führt Sie her, Jack?«