»Es war ihre Idee. Sie überlässt nichts dem Zufall.« Rubin zwang sich ein Grinsen ab. »Ihr kommt nicht gegen sie an, Karen. Ihr könnt es nicht verhindern.
»Halt die Schnauze, Mick.« Weaver begann ihn Richtung Tür zu schieben. »Wir gehen jetzt in dieses Labor. Das Boot wird nicht betankt. Gerade hat sich das Drehbuch geändert.«
»Läuft da eigentlich was zwischen dir und Karen?«, fragte Greywolf, während er Ausrüstungsteile in Containern verstaute.
Anawak stutzte. »Nein. Eigentlich nicht.«
»Eigentlich?«
»Wir verstehen uns gut. Ich denke, das ist alles.«
Greywolf sah ihn an. »Vielleicht solltest wenigstens du anfangen, ein paar Dinge richtig zu machen«, sagte er.
»Ich weiß nicht mal, ob sie interessiert ist.« Plötzlich wurde Anawak bewusst, dass er es soeben vor sich und Greywolf eingestanden hatte. »Ich weiß es wirklich nicht, Jack. Ich bin in solchen Dingen leider ein ziemlicher Trottel.«
»Ist mir klar«, sagte Greywolf höhnisch. »Dein Vater musste erst sterben, damit du überhaupt in der Welt der Lebenden ankommst.«
»Hey …«
»Reg dich ab. Du weißt, dass ich Recht habe. Warum gehst du ihr nicht hinterher? Sie wartet doch drauf.« »Ich bin deinetwegen hergekommen, nicht wegen Karen.«
»Ich weiß es zu schätzen. Jetzt geh endlich.«
»Verdammt, Jack.« Anawak schüttelte den Kopf. »Hör auf, dich hier einzugraben. Komm mit nach oben, bevor dir Flossen wachsen.«
»Flossen würde ich im Augenblick bevorzugen.«
Anawak sah unschlüssig zum Tunnel. Natürlich wäre er Weaver gerne hinterhergegangen, aber es gab noch einen anderen Grund als seine frisch eingestandenen Gefühle. Irgendetwas hatte sie beunruhigt. Sie war seltsam gewesen, verkrampft und aufgekratzt. Er musste an das denken, was sie ihm von Johanson erzählt hatte.
»Gut, versaure hier«, sagte er zu Greywolf. »Falls du’s dir anders überlegst, ich bin oben.«
Er verließ das Welldeck und passierte das Labor. Es war verschlossen. Kurz überlegte er, hineinzuschauen. Vielleicht traf er Johanson an. Es reizte ihn, mehr über die Sache zu erfahren. Dann entschied er sich anders und lief weiter die Rampe hoch zum Hangardeck, um einen Blick auf die ominöse Wand zu werfen.
Aber das tat er nicht.
Als Anawak den Hangar betrat, sah er Vanderbilt und Anderson, die gerade den Durchgang zur Außenplattform passierten.
Plötzlich hatte er ein mulmiges Gefühl.
Was machten die hier?
Und wohin war Weaver eigentlich verschwunden?
Heulender Westwind war aufgekommen. Er blies vom Eiskap her, trieb schäumende Brecher am Rumpf der
Unter der heftig bewegten Oberfläche bildeten sich Strudel und Turbulenzen, doch mit zunehmender Tiefe wurde es ruhig. Vor wenigen Monaten war hier eiskaltes Wasser, schwer von Salz, in Kaskaden hinabgestürzt. Immer noch herrschte grimmige Kälte, aber nun vermischte sich die See mit dem Süßwasser rapide abschmelzender Polareismassen, denen seit geraumer Zeit Wärme zugeführt wurde. Die große, nordatlantische Pumpe, auch Lunge der Weltmeere genannt, weil mit dem erkalteten Wasser ungeheure Mengen Sauerstoff in die Tiefe gelangten, kam langsam, aber sicher zum Erliegen. Das Förderband der Meeresströmungen stand still, der Wärme spendende Strom aus den Tropen versiegte.
Noch allerdings hatte die Pumpe ihre Arbeit nicht vollständig eingestellt. Auch wenn die Kaskaden nicht mehr messbar waren, wanderten nach wie vor geringe Mengen Kaltwasser hinab. Durch lichtlose Stille fielen sie dem Abgrund des Grönländischen Beckens entgegen, Meter um Meter, Hunderte von Metern, Tausende.
In dreieinhalb Kilometer Tiefe, unmittelbar über dem schlammigen Grund, wich die Finsternis einem dunkelblauen Leuchten.
Es erstreckte sich über eine riesige Fläche: keine Wolke, sondern ein dünnwandiges, röhrenartiges Gebilde, mit unzähligen gallertigen Füßchen am Boden verhaftet. Im Innern der Röhre wogten Millionen fühlerartiger Auswüchse in regelmäßigen Wellen, eine Wiese aus synchron bewegten Gallertfäden. Große Brocken einer weißlichen Substanz wanderten darauf in Richtung eines großen Gegenstandes. Das blaue Leuchten reichte kaum aus, um seine Form erkennen zu lassen, erhellte nur schwach zwei geöffnete Kuppeln. Mehr war von dem gesunkenen
Seit geraumer Weile füllte der Organismus das Tauchboot mit den weißen, gefrorenen Brocken. Inzwischen passte nicht mehr viel hinein, und der Nachschub versiegte. Ein Teil der Röhre schnürte sich ab, sank auf das Boot herab und begann es zu umhüllen. Die transparente Substanz zog sich um den Rumpf zusammen, verdichtete sich und drückte die Kuppeln herunter. Blau schimmernde Flächen breiteten sich aus und flossen ineinander, bis das komplette Boot in einer geschlossenen Umhüllung steckte, zu der sich ein langer, dünner Schlauch wand.