»Nein.« Peak schüttelte den Kopf. »So war das nicht vereinbart.«
»Sal, halten Sie den Mund.«
»Verdammt nochmal, Jude! Wir können ihn ein paar Stunden festsetzen, das reicht doch wohl!«
»Jack«, sagte Li zu Vanderbilt, ohne Peak eines Blickes zu würdigen. »Tun Sie Ihre Arbeit. Und machen Sie’s bitte persönlich.«
Vanderbilt grinste. »Mit Vergnügen, Schätzchen. Mit dem größten Vergnügen.«
Olivieras ohnehin schon langes Gesicht wurde noch länger. Sie starrte zuerst Weaver an und dann Rubin.
»Na?«, sagte Weaver.
Rubin erbleichte. »Ich habe absolut keine Ahnung, wovon du sprichst.«
»Mick, hör mal.« Sie stellte sich zwischen ihn und den Tisch und legte Rubin fast freundschaftlich den Arm um die Schultern. »Ich bin keine großartige Rednerin. In Smalltalk war ich immer ganz mies. Leute wie mich lädt man zu keiner Cocktailparty ein und stellt sie nicht aufs Podium. Ich bevorzuge schnelle, knappe Gespräche. Also nochmal, und geh mir nicht mit Ausflüchten auf den Sack. Da oben gibt es ein Labor. Direkt über uns. Es führt hinaus aufs Hangardeck, gut getarnt, aber Sigur hat dich nun mal gesehen, wie du rein— und rausgegangen bist.
Dafür hast du ihm eins über den Schädel gezogen. Stimmt’s?«
»Also doch.« Oliviera warf Rubin einen angewiderten Blick zu. Der Biologe schüttelte den Kopf und versuchte, sich aus Weavers Klammergriff zu lösen, aber es gelang ihm nicht.
»Das ist der größte Unsinn, den ich je … Nein!«
Ihre freie Hand hatte eines der Seziermesser aus der Halterung gezogen. Sie hielt die Spitze gegen seine Halsschlagader. Rubin zuckte zurück. Weaver drückte ihm die Spitze der Klinge ein bisschen tiefer ins Fleisch und spannte die Muskeln. Der Biologe steckte in ihrer Umarmung wie in einem Schraubstock.
»Bist du verrückt geworden?«, ächzte er. »Was soll denn das?«
»Mick, ich bin nicht zimperlich. Ich habe sehr viel Kraft. Als ich klein war, habe ich mal ein Kätzchen gestreichelt und aus Versehen totgedrückt. Schrecklich, was? Ich wollt’s nur streicheln, und knick knack … Überleg dir also gut, was du sagst. Dich will ich nämlich
Jack Vanderbilt war weder scharf darauf, Johanson umzubringen, noch sonderlich daran interessiert, ihn am Leben zu lassen. Irgendwie mochte er den Mann sogar. Zugleich war es ihm egal. Es ging um den Auftrag, und der Auftrag war definiert. Sofern Johanson ein Sicherheitsrisiko darstellte, würde das nicht mehr lange der Fall sein.
Floyd Anderson folgte ihm. Der Erste Offizier hatte wie die meisten an Bord eine Doppelfunktion. Tatsächlich war er ausgebildeter Seemann, aber hauptsächlich arbeitete er für die CIA. Fast jeder an Bord, abgesehen von Buchanan und einigen Mitgliedern der Mannschaft, arbeitete auf irgendeine Weise für die CIA. Anderson hatte an geheimen Operationen in Pakistan und am Golf teilgenommen. Er war ein guter Mann.
Und ein Killer.
Vanderbilt dachte daran, wie sich die Dinge gedreht hatten. Bis zuletzt hatte er sich an die Vorstellung geklammert, gegen Terroristen zu kämpfen, doch nun musste er sich eingestehen, dass Johanson von Anfang an Recht gehabt hatte. An sich eine Schande, ihn zu töten, zumal in Lis Auftrag. Vanderbilt verabscheute die blauäugige Hexe. Li war paranoid und intrigant, ein krankes Hirn. Er hasste sie und konnte sich doch der perfiden Logik nicht entziehen, mit der sie über Leichen ging. Am Grunde ihres Wahnsinns hatte sie Recht. Auch diesmal.
Plötzlich fiel ihm ein, wie er Johanson vor ihr gewarnt hatte, damals in Nanaimo.
Johanson hatte eindeutig nicht verstanden.
Wie auch? Niemand begriff zu Anfang, was mit Li nicht in Ordnung war. Dass sie, getrieben von Verschwörungstheorien und zwanghaftem Ehrgeiz, grundsätzlich überreagierte. Dass sie log und betrog und alles und jeden ihren Zielen opferte. Judith Li, das Hätschelkind des Präsidenten der Vereinigten Staaten. Nicht mal der merkte was. Der mächtigste Mann der Welt hatte nicht den leisesten Schimmer, wen er da hochpäppelte.
Wir werden alle aufpassen müssen, dachte Vanderbilt. Es sei denn, jemand nimmt eine Waffe in die Hand und löst das Problem.
Irgendwann.
Zügig durchquerten sie die Flure. Johanson hätte ihnen keinen größeren Gefallen tun können, als die Plattform des Außenlifts aufzusuchen. Wie hatte die Verrückte so schön gesagt? Ein Windstoß …
Vanderbilt hatte kaum den Raum verlassen, als einer der Männer an den Konsolen Li herbeirief. Er zeigte auf einen der Bildschirme.
»Irgendwas ist im Labor im Gange«, sagte er.
Li sah zu, was sich auf dem Monitor abspielte. Weaver, Oliviera und Rubin standen zusammen. Sehr dicht zusammen. Weaver hatte Rubin den Arm um die Schultern gelegt und drückte sich an ihn.
Seit wann verstanden sich die beiden so gut?
»Ton lauter«, sagte Li.
Weavers Stimme war zu hören. Leise zwar, aber deutlich genug. Sie fragte Rubin nach dem geheimen Labor aus. Bei näherem Hinsehen sah man die Angst in Rubins Augen und etwas in Weavers Hand, das blitzte und seinem Hals allzu nahe war.