So weit das Auge reichte, zog sich dicht unter der Wasseroberfläche ein Schwarm armlanger, schimmernder Fische zusammen. Vor lauter Verblüffung ließ Ucañan einen Teil der Luft in seinen Lungen entweichen. Perlend trieb sie nach oben. Er fragte sich, wo der riesige Schwarm so plötzlich hergekommen war. Nie zuvor hatte er etwas Derartiges gesehen. Die Leiber schienen beinahe stillzustehen, nur hin und wieder gewahrte er das Zucken einer Schwanzflosse oder das Vorschnellen eines einzelnen Tieres. Dann plötzlich vollzog der Schwarm eine Korrektur seiner Position um wenige Grad, die alle Tiere kollektiv vollführten, und die Leiber schmiegten sich noch enger aneinander.
Eigentlich das typische Verhalten eines Schwarms. Dennoch stimmte etwas nicht damit. Es war weniger das Verhalten der Fische, das ihn irritierte. Es waren die Fische selber.
Sie waren einfach zu viele.
Ucañan drehte sich um seine eigene Achse. Wohin er auch schaute, verlor sich die gewaltige Menge der Fische im Unendlichen. Er legte den Kopf in den Nacken und sah durch eine Lücke zwischen den Leibern den Schatten seines Caballito, das sich gegen die kristallen funkelnde, leicht bewegte Oberfläche abzeichnete. Dann schloss sich auch dieser letzte Ausblick. Es wurde noch dunkler, und die verbliebene Luft in seinen Lungen begann schmerzhaft zu brennen.
Goldmakrelen, dachte er fassungslos.
Auf ihre Rückkehr hatte kaum noch jemand zu hoffen gewagt. Im Grunde hätte er sich freuen müssen. Goldmakrelen brachten einen leidlich guten Preis auf dem Markt, und ein randvolles Netz davon ernährte einen Fischer samt Familie eine ganze Weile.
Aber Ucañan spürte keine Freude.
Stattdessen überkam ihn schleichende Furcht.
Dieser Schwarm war unglaublich. Er reichte von Horizont zu Horizont. Hatten die Makrelen das
Du musst hier weg, sagte er sich.
Er stieß sich von den Felsen ab. Um Ruhe bemüht, stieg er langsam und kontrolliert auf, weiterhin Reste von Luft ausstoßend. Sein Körper trieb den dicht gedrängten Leibern entgegen, die ihn von der Wasseroberfläche, vom Sonnenlicht und von seinem Boot trennten. Jede Bewegung in dem Schwarm war mittlerweile zum Stillstand gekommen, eine endlose, glotzäugige Ansammlung von Gleichgültigkeit. Und doch war ihm, als ob die Tiere nur seinetwegen so unvermittelt aus dem Nichts erschienen wären, als ob sie auf ihn warteten.
Sie wollen mich abhalten, durchfuhr es ihn. Sie wollen mich daran hindern, wieder aufs Boot zu gelangen.
Plötzlich erfasste ihn kaltes Grauen. Sein Herz raste. Er achtete nicht mehr auf seine Geschwindigkeit, dachte nicht mehr an das zerfetzte
Einige der Fische zuckten zur Seite.
Aus ihrer Mitte schlängelte sich etwas auf Ucañan zu.
Nach einer ganzen Weile frischte der Wind auf.
Immer noch war keine Wolke am Himmel zu sehen. Es war und blieb ein schöner Tag. Der Wellengang hatte in kaum nennenswerter Weise zugenommen, ohne dass es für einen Mann in einem kleinen Boot ungemütlich geworden wäre.
Aber es war kein Mann zu sehen.
Niemand weit und breit.
Nur das Caballito, eines der letzten seiner Art, trieb langsam hinaus auf den offenen Ozean.
ERSTER TEIL
ANOMALIEN
Der zweite Engel goss seine Schale über das Meer. Da wurde es zu Blut, das aussah wie das Blut eines Toten; und alle Lebewesen im Meer starben. Der dritte goss seine Schale über die Flüsse und Quellen. Da wurde alles zu Blut. Und ich hörte den Engel, der die Macht über das Wasser hat, sagen: Gerecht bist du …