Der Gedanke hinabzutauchen war Ucañan alles andere als angenehm. Wie die meisten Fischer war er — obschon ein ausgezeichneter Schwimmer — im Grunde wasserscheu. Kaum ein Fischer liebte das Meer wirklich. Es rief ihn hinaus, jeden Tag aufs Neue, und viele, die ihr Lebtag gefischt hatten, konnten ohne seine Allgegenwart nicht leben, aber mit ihr lebten sie auch nicht sonderlich gut. Das Meer verbrauchte ihre Lebenskraft, behielt nach jedem Fischzug etwas davon ein und hinterließ verdorrte, schweigsame Gestalten in Hafenkneipen, die nichts mehr erwarteten.
Aber Ucañan besaß ja seinen Schatz! Das Geschenk eines Touristen, den er im Vorjahr mit rausgenommen hatte. Er holte die Tauchermaske aus dem Stauraum, spuckte hinein und verrieb den Speichel sorgfältig, damit sie unter Wasser nicht beschlug. Dann spülte er die Maske im Meerwasser aus, presste sie auf sein Gesicht und zog den Riemen über den Hinterkopf. Es war sogar eine ziemlich teure Maske, mit Rändern aus weichem, anschmiegsamem Latex. Ein Atemgerät oder einen Schnorchel besaß er nicht, aber das war auch nicht nötig. Er konnte die Luft lange genug anhalten, um ein ordentliches Stück hinabzutauchen und ein Netz von den Felsen zu zurren.
Ucañan überlegte, wie groß die Gefahr war, von einem Hai attackiert zu werden. Im Allgemeinen traf man in diesen Breiten keine Exemplare an, die Menschen gefährlich wurden. In seltenen Fällen waren Hammer-, Mako— und Heringshaie gesichtet worden, die Fischernetze plünderten, allerdings weiter draußen. Die großen Weißen ließen sich vor Peru so gut wie gar nicht blicken. Außerdem war es ein Unterschied, im freien Wasser zu tauchen oder in unmittelbarer Nähe von Felsen und Riffstrukturen wie hier, die eine gewisse Sicherheit boten. Ein Hai, schätzte Ucañan, war es ohnehin nicht gewesen, der sein Netz auf dem Gewissen hatte.
Seine eigene Unachtsamkeit war schuld. Das war alles.
Er pumpte seine Lungen auf und sprang kopfüber in die Wellen. Es war wichtig, dass er schnell nach unten gelangte, ansonsten würde ihn die eingeatmete Luft wie einen Ballon an der Oberfläche halten. Den Körper senkrecht gestellt, Kopf voran, legte er Abstand zwischen sich und die Oberfläche. War das Wasser vom Boot aus dunkel und undurchdringlich erschienen, tat sich um ihn herum nun eine helle, freundliche Welt auf, mit klarer Sicht auf das vulkanische Riff, das sich auf einer Länge von einigen hundert Metern dahinzog. Die Felsen waren gesprenkelt von Sonnenlicht. Ucañan sah kaum Fische, aber er achtete auch nicht darauf. Sein Blick suchte die Formation nach dem
Und wenn es zehn Versuche kostete! Wenn es den halben Tag dauerte. Er konnte unmöglich ohne das Netz zurückkehren.
Dann sah er die Boje.
In etwa zehn bis fünfzehn Metern Tiefe schwebte sie über einem zerklüfteten Vorsprung. Das Netz hing direkt darunter. Es schien sich an mehreren Stellen verhakt zu haben. Winzige Rifffische umschwärmten die Maschen und stoben, als Ucañan näher kam, auseinander. Er stellte sich im Wasser aufrecht, trat mit den Füßen und machte sich daran, das
Dabei fiel ihm auf, dass das Netz völlig zerfetzt war.
Fassungslos starrte er auf das Zerstörungswerk. Das hatten nicht allein die Felsen verursacht.
Was um alles in der Welt hatte hier gewütet?
Und wo war dieses Etwas gerade?
Von Unruhe ergriffen begann Ucañan an dem
Schließlich hielt er inne.
Es hatte keinen Zweck. Er würde aufsteigen, nach dem Caballito sehen und noch einmal hinabtauchen müssen.
Während er darüber nachdachte, ging um ihn herum eine Veränderung vor. Zuerst glaubte er, eine Wolke sei vor die Sonne gezogen. Die tanzenden Lichtflecken waren von den Felsen gewichen, die Strukturen und Pflanzen warfen keine Schatten mehr …
Er stutzte.
Seine Hände, das Netz, alles verlor an Farbe und wurde fahl. Selbst Wolken konnten diesen plötzlichen Übergang nicht erklären. Innerhalb von Sekunden hatte sich der Himmel über Ucañan verdunkelt.
Er ließ das