»Achten Sie auf springende Wale. Die Tiere werden versuchen, Ihre Boote zu versenken.« »Wale? Wovon reden Sie?« »Das Beste wäre, Sie kehren um.« »Wir haben einen Notruf empfangen, dass ein Schiff gekentert ist.« Anawak schwankte, als das Zodiac hart auf einen Wellenkamm knallte. Er fing sich und schrie ins Funkgerät: »Wir haben keine Zeit für Diskussionen. Sie müssen vor allen Dingen schneller fahren.« »He, wollen Sie uns verarschen? Wir fahren jetzt zu dem sinkenden Schiff. Ende.« Im Bug begann Greywolf zu gestikulieren. »Sie sollen endlich abhauen!«, schrie er. Die Orcas hatten ihren Kurs geändert. Sie hielten nicht länger auf die Devilfish
zu, sondern schwammen weiter hinaus aufs offene Meer und geradewegs auf die MS Arktik zu.»So eine Scheiße«, fluchte Anawak. Unmittelbar vor den herannahenden Booten schoss ein Buckelwal empor, umgeben von einer Korona aus funkelndem Wasser. Er stand einen Augenblick reglos in der Luft und kippte zur Seite weg. Anawak sog scharf die Luft ein. Durch die herabfallende Gischt sah er die beiden Boote unversehrt näher kommen.
»MS Arktik!
Ziehen Sie Ihre Leute zurück. Sofort! Wir regeln das hier.«Shoemaker drosselte die Maschine. Die Devilfish
trieb nun unmittelbar vor der schräg aufragenden Brücke der Lady Wexham. Etwa ein Dutzend durchnässter Männer und Frauen drängte sich darauf zusammen. Jeder hielt sich irgendwo fest, verzweifelt bemüht, nicht abzurutschen. Die Wogen zerplatzten schäumend an der Brücke. Eine weitere kleine Gruppe hatte sich auf der Aussichtsplattform im Heck in Sicherheit gebracht. Wie Affen hingen sie in den Sprossen der Reling, durchgeschüttelt von den Wellen.Tuckernd trieb die Devilfish
zwischen Brücke und Plattform. Unter dem Zodiac schimmerte grünweiß das mittlere Aussichtsdeck im Wasser. Shoemaker steuerte näher zur Brücke, bis der Gummiwulst dagegen stieß. Eine mächtige Welle erfasste das Boot und drückte es hoch. Wie in einem Fahrstuhl fuhren sie am Brückenaufbau empor. Für einen Moment konnte Anawak die ausgestreckten Hände der Leute beinahe berühren. Er sah in verängstigte Gesichter, Entsetzen gemischt mit Hoffnung, dann sackte die Devilfish wieder ab. Ein Aufschrei der Enttäuschung folgte ihr.»Das wird schwierig«, stieß Shoemaker zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Anawak schaute sich nervös um. Die Wale hatten offenbar das Interesse an der Lady Wexham
verloren. Sie sammelten sich weiter draußen vor den Booten der MS Arktik, die unentschlossene Ausweichmanöver fuhren.Sie mussten sich beeilen. Ewig konnten sie nicht darauf hoffen, dass die Tiere fernblieben, und derweil sank die Lady Wexham
immer schneller. Greywolf duckte sich. Eine grüne, zerklüftete Woge erfasste die Devilfish und trug sie wieder in die Höhe. Anawak sah die abblätternde Farbe des Brückenturms an sich vorbeiziehen. Greywolf sprang aus dem Boot und klammerte sich mit einer Hand an eine Steigleiter. Das Wasser überspülte ihn bis zur Brust, dann rollte die Welle durch, und er hing in der Luft, eine lebende Verbindung zwischen den Menschen über ihm und dem Zodiac. Er streckte die freie Hand nach oben.»Auf meine Schultern«, schrie er. »Einer nach dem anderen. An mir festhalten, warten, bis das Boot hochkommt, springen!«
Die Menschen zögerten. Greywolf wiederholte seine Anweisungen. Schließlich ergriff eine Frau seinen Arm und ließ sich mit unsicheren Bewegungen abwärts gleiten. Im nächsten Moment hing sie huckepack an dem Hünen und krallte sich an seinen Schultern fest. Das Zodiac schoss hoch. Anawak bekam die Frau zu fassen und zog sie ins Innere.
»Der Nächste!«
Endlich kam Schwung in die Rettungsaktion. Einer nach dem anderen hangelte sich über Greywolfs breiten Rücken an Bord der Devilfish.
Anawak fragte sich, wie lange der Halbindianer noch die Kraft aufbringen würde, sich an der Leiter festzuhalten. Er trug sein eigenes Gewicht und das der Passagiere, hing nur an einer Hand und geriet ständig halb unter Wasser, das an ihm zog und zerrte, wenn das Meer wegsackte. Die Brücke ächzte und quietschte gotterbärmlich. Hohles Stöhnen drang aus ihrem Innern, als sich das Material verformte. Knallend zersprangen eiserne Nähte. Nur noch der Skipper war auf der Brücke, als plötzlich ein hässliches Kreischen ertönte. Die Brücke erhielt einen Schlag. Greywolfs Oberkörper schlug hart gegen die Wand. Der Skipper verlor den Halt und sauste an Greywolf vorbei. Auf der anderen Seite des Wracks erhob sich der Kopf eines Grauwals aus den Fluten. Greywolf ließ die Sprossen der Steigleiter los und sprang hinterher. Unweit von ihm tauchte der Skipper prustend auf und gelangte mit wenigen kraftvollen Schwimmstößen zum Zodiac. Hände streckten sich ihm entgegen und hievten ihn ins Innere. Auch Greywolf langte nach der Bordwand, verfehlte sie und wurde von einer Woge davongetragen.Wenige Meter hinter ihm schob sich ein hochgebogenes Schwert aus dem Wasser.