Wir fühlen die Sonne auf unseren Gesichtern und blicken auf die Pracht. Der Garten hinter dem Hause ist gleichzeitig der Ausstellungsplatz für unsere Denkmäler. Da stehen sie, angeführt wie eine Kompanie von einem dünnen Leutnant, von dem Obelisken Otto, der gleich neben der Tür seinen Posten hat. Er ist das Stück, das ich Heinrich geraten habe zu verkaufen, das älteste Denkmal der Firma, ihr Wahrzeichen und eine Monstrosität an Geschmacklosigkeit. Hinter ihm kommen zuerst die billigen kleinen Hügelsteine aus Sandstein und gegossenem Zement, die Grabsteine für die Armen, die brav und anständig gelebt und geschuftet haben und dadurch natürlich zu nichts gekommen sind. Dann folgen die größeren, schon mit Sockeln, aber immer noch billig, für die, die schon etwas Besseres sein möchten, wenigstens im Tode, da es im Leben nicht möglich war. Wir verkaufen mehr davon als von den ganz einfachen, und man weiß nicht, ob man diesen verspäteten Ehrgeiz der Hinterbliebenen rührend oder absurd finden soll. Das nächste sind die Hügelsteine aus Sandstein mit eingelassenen Platten aus Marmor, grauem Syenit oder schwarzem schwedischem Granit. Sie sind bereits zu teuer für den Mann, der von seiner Hände Arbeit gelebt hat. Kleine Kaufleute, Werkmeister, Handwerker, die einen eigenen Betrieb gehabt haben, sind die Kunden dafür – und natürlich der ewige Unglücksrabe, der kleine Beamte, der immer mehr vorstellen muß, als er ist, dieser brave Stehkragenproletarier, von dem keiner weiß, wie er es fertigbringt, heutzutage noch zu existieren, da seine Gehaltserhöhungen stets viel zu spät kommen.
Alle diese Denkmäler sind noch das, was man als Kleinvieh bezeichnet – erst hinter ihnen kommen die Klötze aus Marmor und Granit. Zunächst die einseitig polierten, bei denen die Vorderflächen glatt sind, Seiten und Rückenfläche rauh gespitzt und die Sockel allseitig rauh. Das ist bereits die Klasse für den wohlhabenderen Mittelstand, den Arbeitgeber, den Geschäftsmann, den besseren Ladenbesitzer und, natürlich, den tapferen Unglücksraben, den höheren Beamten, der, ebenso wie der kleine, im Tode mehr ausgeben muß, als er im Leben verdient hat, um das Dekorum zu wahren.
Die Aristokratie der Grabsteine jedoch sind der allseitig polierte Marmor und der schwarze schwedische Granit. Da gibt es keine rauhen Seiten und Rückenflächen mehr; alles ist auf Hochglanz gebracht worden, ganz gleich, ob man es sieht oder nicht, sogar die Sockel, und davon gibt es nicht nur einen oder zwei, sondern oft auch einen geschrägten dritten, und oben darauf, wenn es sich um ein Glanzstück im wahren Sinne des Wortes handelt, auch noch ein stattliches Kreuz aus demselben Material. So etwas ist heute natürlich nur noch da für reiche Bauern, große Sachwertbesitzer, Schieber und die geschickten Geschäftsleute, die mit langfristigen Wechseln arbeiten und so von der Reichsbank leben, die alles mit immer neuen, ungedeckten Geldscheinen bezahlt.
Wir blicken gleichzeitig auf das einzige dieser Glanzstücke, das bis vor einer Viertelstunde noch Eigentum der Firma war. Da steht es, schwarz und blitzend wie der Lack eines neuen Automobils, das Frühjahr umduftet es, Fliederblüten neigen sich ihm zu, es ist eine große Dame, kühl, unberührt und noch für eine Stunde jungfräulich -, dann wird ihm der Name des Hofbesitzers Heinrich Fleddersen auf den schmalen Bauch gemeißelt werden, in lateinischer, vergoldeter Schrift, der Buchstabe zu achthundert Mark.»Fahre wohl, schwarze Diana!«sage ich.»Dahin!«und lüfte meinen Hut.»Es ist dem Poeten ewig unverständlich, daß auch vollkommene Schönheit den Gesetzen des Schicksals untersteht und elend sterben muß! Fahr wohl! Du wirst nun eine schamlose Reklame für die Seele des Gauners Fleddersen werden, der armen Witwen aus der Stadt ihre letzten Zehntausender für viel zu teure, mit Margarine verfälschter Butter entrissen hat – von seinen Wucherpreisen für Kalbsschnitzel, Schweinekoteletts und Rinderbraten ganz zu schweigen! Fahr wohl!«
»Du machst mich hungrig«, erklärt Georg.»Auf zur „Walhalla“! Oder mußt du vorher noch deinen Schlips kaufen?«
»Nein, ich habe Zeit, bis die Geschäfte schließen. Sonnabends gibt es nachmittags keinen neuen Dollarkurs. Von zwölf Uhr heute mittag bis Montag früh bleibt unsere Währung stabil. Warum eigentlich? Da muß irgendwas mächtig faul dabei sein. Warum fällt die Mark über das Wochenende nicht? Hält Gott sie auf?«
»Weil die Börse dann nicht arbeitet. Sonst noch Fragen?«
»Ja. Lebt der Mensch von innen nach außen oder von außen nach innen?«
»Der Mensch lebt, Punkt. Es gibt Gulasch im „Walhalla“, Gulasch mit Kartoffeln, Gurken und Salat. Ich habe das Menü gesehen, als ich von der Bank kam.«
»Gulasch!«Ich pflücke eine Primel und stecke sie mir ins Knopfloch.»Der Mensch lebt, du hast recht! Wer weiter fragt, ist schon verloren. Komm, laß uns Eduard Knobloch ärgern!«